domenica 28 giugno 2015

Artikel eines islamophilen Spiegel-Redaktors

VATIKAN (Spiegel Online 12. September 2005)

Audienz fürs Abendland

Von Alexander Smoltczyk

Als erste Italienerin ist Oriana Fallaci, die schärfste Kritikerin des Islam, von Benedikt XVI. zum Privatgespräch empfangen worden.

Es war ein Treffen, das keine Spuren hinterlassen sollte. Kein Foto, keine Zeugen, keine Erklärungen. Offiziell war der 27. August in Castelgandolfo nur ein ganz gewöhnlicher Sommertag im Leben des Papstes.

Aber die Begegnung Benedikts XVI. mit Oriana Fallaci war zu brisant, um länger als ein paar Tage geheim zu bleiben. Das Oberhaupt der katholischen Christenheit traf eine Frau, die seit dem 11. September 2001 wie keine andere zum Kreuzzug gegen Islam und Islamisten ruft, zum Abwehrkampf gegen "ihren Expansionismus, ihren Kolonialismus, ihren Rassismus". Das Treffen musste zum Skandal werden.

Der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller Pietro Citati empörte sich in der liberalen "Repubblica". Er nennt die 75jährige ehemalige Weggenossin Fallaci "maßlos unwissend und lügenhaft" und verweist auf den Unterschied zwischen dem Koran und allen Killern, die sich auf ihn berufen.

Von Berlusconis Zeitung "il giornale" wurde die Geheimaudienz dagegen als "Zeichen der Zeit" begrüßt. Als Begegnung zweier Geistesverwandter, die dem Unbehagen der Moderne an sich selbst eine Rückbesinnung auf die christliche Identität entgegensetzen.

Fallaci ist eine Legende des Journalismus. Seit Vietnam war sie in den meisten großen Kriegen dabei. Und wenn die Mächtigen eines fürchteten, dann von der Fallaci interviewt zu werden. Sie traf Chomeini, Deng Xiaoping, Castro, Kissinger, Gaddafi. Immer respektlos, unverfroren und von einer bellezza, die keiner der Herren je vergaß.

Diese Frau wird geliebt, gehasst und - gelesen: "Ein Mann", das Buch über ihre Liebe zu dem griechischen Widerstandskämpfer Alexandros Panagoulis, wurde auch in Deutschland zum Bestseller.

Seit langem lebt Oriana Fallaci in Manhattan, zwischen Büchern und mit ihrer Krebserkrankung als einzigem ständigem Begleiter. Unmittelbar nach dem Anschlag auf die Zwillingstürme schrieb sie einen wortgewaltigen Zornausbruch gegen die Selbstaufgabe des Abendlands nieder: "Die Wut und der Stolz". Auch der Nachfolgeband "Die Kraft der Vernunft" wurde mehr als eine Million Mal in Europa verkauft.

Dank der schlappschwänzigen Toleranz seiner Eliten - so heißt es darin - wäre Old Europe längst zu "Eurabia" geworden, eine "Kolonie des Islam", unterwühlt von Einwanderern, die nichts anderes im Sinn hätten, als Halbmonde auf Kirchtürme zu verpflanzen.

Diese Philippika verschweigt die humanistischen Traditionen des Islam. Und ist eine Beleidigung für alle, die in Fallacis Heimatland auf Tomatenplantagen und vor Pizzaöfen die Drecksarbeit machen, aber nicht mal in eigenen Moscheen zu ihrem Herrn beten dürfen.

Dennoch: Die Fallaci ist eben eine Ketzerin gegen jede Form der Political Correctness und ohne Zögern bereit, auf jeden Scheiterhaufen zu steigen.

In ihrem jüngsten, noch nicht übersetzten Buch, einer Art politischem Testament, rückt Oriana Fallaci ein paar Dinge gerade**. Zum Beispiel, dass es ein Unterschied ist, ob man einem Gefangenen eine Kapuze aufsetzt oder ihm den Kopf abschneidet.

Dann setzt die alte Klage an. Johannes Paul II. wirft sie, die "christliche Atheistin", vor, "nie ein Wort gegen unsere Feinde" gesagt zu haben. Die einzige Hoffnung des Buches war - Joseph Ratzinger.

Dieser Deutsche schrieb wie sie, sprach vom "merkwürdigen und nur als pathologisch zu bezeichnenden Selbsthass des Abendlandes", von der falschen Toleranz, der "innerlichen Aushöhlung Europas" gegenüber dem Wiedererblühen des Islam. "Ich fühle mich weniger allein, wenn ich die Bücher von Ratzinger lese", erklärte sie dem "Wall Street Journal".

Gleich nach der Papstwahl hatte Fallaci den Antrag auf eine Privataudienz gestellt. Sie wolle, erklärte sie, Benedikt XVI. fragen, ob er den Islam tatsächlich für so dialogfähig halte, wie Papst Wojtyla es getan hatte. Natürlich lässt ein Intellektueller wie Ratzinger es sich nicht entgehen, diese von allen Gutmeinenden geächtete Kassandra kennen zu lernen. Durch die Vermittlung eines Bischofs kam es zu dem Treffen.

Wer auf Menetekel lauert, wird in der Audienz einen Hinweis auf den gegenreformatorischen Kurs im neuen Pontifikat sehen: erst die Kritik des Kardinals Schönborn am Neodarwinismus, jetzt der Handschlag mit einer zügellosen Kreuzzüglerin. Sind das Positionsbestimmungen? Testballons? Oder nur Irrlichter?

Bei seinem Kölner Treffen mit Vertretern muslimischer Gemeinschaften erklärte Benedikt XVI., dass die "Verteidigung der Religionsfreiheit und die Achtung der Minderheiten ein unanfechtbares Zeichen wahrer Zivilisation" sei. Das war eine deutliche Kritik an nahezu allen Staaten der arabischen Welt.

Der Ratzinger-Biograf John Allen wertet die Audienz "als ein weiteres Zeichen, dass Benedikt XVI. in seiner Haltung zum Islam eher eine ,Falken'-Linie verfolgt als sein Vorgänger".

Das Treffen sei nur kurz gewesen, wird jetzt im Vatikan versichert. Doch die katholische Kirche ist die Meisterin der Zeichen und weiß um die Kraft der Symbole. Und, wie die Abgeordnete Livia Turco von den Linksdemokraten erklärte: "Ich hätte mir gewünscht, dass er als erste Italienerin eine andere Frau empfangen hätte."


* Oriana Fallaci: "Oriana Fallaci intervista sé stessa. L'Apocalisse". Verlag Rizzoli International; 262 Seiten; 15 Euro.

Anmerkung von UW: Mit "Gutmeinenden" sind "Gutmenschen gemeint. Vielleicht hat der Autor (Spiegel-Redaktor) inzwischen seine Meinung über die Muslime und den Islam geändert.

sabato 24 gennaio 2015

Interview mit Golda Meir


Die Geschichte dieses Interviews ist sehr eigenartig. Es ist die Geschichte eines Interviews, das auf mysteriöse Weise gestohlen wurde und das ich von vorn wieder beginnen musste. Ich hatte Golda Meir zweimal für je drei Stunden getroffen bevor der Diebstahl geschah. Ich sah Golda Meir nochmals zweimal für etwa zwei Stunden nachdem der Diebstahl geschehen war. Ich glaube daher, dass ich der einzige Journalist bin, der gut viermal und sechs Stunden mit dieser fantastischen Frau verbracht hat, einer Frau, die man loben oder verurteilen kann, der aber das Adjektiv fantastisch nicht abzusprechen ist. Oder liege ich da etwa falsch? Bin ich nun etwa Optimistin oder Feministin? Kann sein. Aber was Golda Meir betrifft, fällt es mir schwer, objektiv zu sein. Ich werde sie nie vorurteilslos und ohne Bewunderung betrachten können. Ich kann es nicht, selbst wenn ich mir sage, dass man eine Person, die so viel Macht hat, leidenschaftslos wie ein Chirurg analysieren sollte. Ich bin davon überzeugt, dass, auch wenn man nicht mit ihr, mit ihrer Politik, mit ihrer Ideologie übereinstimmt, nicht umhinkommt sie zu respektieren, sie zu bewundern und sie zu mögen. Ich habe sie sofort gern gemocht. Ausserdem erinnerte sie mich an meine Mutter, der sie etwas ähnelte. Auch meine Mutter hatte graue, lockige Haare, dieses müde und faltige Gesicht, diesen schweren Körper, der von geschwollenen, etwas unsicheren Beinen aus Blei getragen wurde. Auch meine Mutter hatte dieses energische und zugleich gütige Gesicht, diesen Ausdruck einer Hausfrau, die vom Saubermachen besessen ist, das Gesicht einer Frau, deren Reichtum in einer entwaffnenden Einfachheit besteht, einer beunruhigenden Bescheidenheit, einer Weisheit, die aus einer lebenslangen harten Arbeit, aus Schmerz, Unbehagen und Mühsal erwachsen ist, in der es keine Zeit für anderes gab. Nun, Golda Meir war auch etwas anderes, war mehr. Zum Beispiel war sie eine Frau, von der das Schicksal von Millionen von Menschen abhing, von der Frieden oder Krieg im Mittleren Osten abhing, eine Frau, die die Zündschnur in der Hand hielt, mit der man einen weltweiten Konfliktes anzünden oder vermeiden konnte. Und dann war sie die massgebende Vertreterin einer von vielen verurteilten und kritisierten Doktrin: des Zionismus. Aber das alles kennt man. Aber das, was alle kennen, interessiert mich nicht sonderlich. Mich interessiert das zu erzählen, was man gewöhnlich nicht von ihr weiss. Hier ist nun die Geschichte dieses Interviews, meiner Geschichte von Golda Meir.

Mein erstes Gespräch mit ihr fand anfangs Oktober statt, in ihrer Wohnung in Jerusalem. Es war ein Montag, und sie trug ein schwarzes Kleid wie es meine Mutter trug, wenn sie jemanden empfangen wollte. Sie hatte sich sogar die Nase gepudert, so wie meine Mutter, wenn sie auf jemand wartete. Sie sass in ihrem Wohnzimmer, vor einer Tasse Kaffee und einem Päckchen Zigaretten und es schien mir, dass es ihr hauptsächlich darum ging, dass ich mich wohl fühle und mich nicht zu stark von ihre Autorität beeindrucken liesse. Ich hatte ihr vorher mein Buch über Vietnam zukommen lassen, zusammen mit einem Strauss Rosen. Die Rosen standen in einer Vase und das Buch hielt sie in den Händen. Bevor ich mit meinen Fragen begann, wollte sie von mir wissen, auf welche Art ich den Krieg erlebt hatte und deshalb war es nicht schwer, sie dazu zu bringen über ihren Krieg zu sprechen; über den Terrorismus, über die Palästinenser, über die besetzten Gebiete, über die Bedingungen, die sie Sadat  und Hussein stellen würde, sollte es dazu kommen, mit den Arabern zu verhandeln. Ihre Stimme war warm und wohlklingend, ihr Ausdruck lächelnd und jovial. Mich beeindruckte sie sofort. Mich eroberte sie völlig als sie, nach fünf Viertelstunden, mir sagte, sie wolle mich wiedersehen. Dieses geschah drei Tage später in ihrem Ministerpräsidentenbüro. Zwei höchst interessante Stunden. Nachdem der politische Teil abgehandelt war, sprach sie bei diesem zweiten Treffen, mit etwas Zurückhaltung, ausschliesslich von sich: von ihrer Kindheit, von ihrer Familie, von ihrem Drama als Frau, von ihren Freunden wie Pietro Nenni für den sie eine ungetrübte Bewunderung, eine bewegende Zuneigung hegte. Als wir uns verabschiedeten, waren wir Freundinnen geworden. Mir gab sie sogar ein Foto für meine Mutter mit, versehen mit der schmeichelhaftesten Widmung der Welt. Sie bat mich, sie sobald wie möglich wiederzutreffen: „Aber ohne dieses Dings da, nur um ein bisschen zu schwatzen und eine Tasse Tee zu trinken.“ Mit diesem Dings da meinte sie das Gerät, mit dem ich jede ihrer Antworten, jede ihrer Äusserungen aufgenommen hatte.  Ihre Mitarbeiter schienen fassungslos zu sein: vor einem Bandaufnahmegerat hatte sie noch sich nie so offen gezeigt. Einer von ihnen bat mich, ihm eine Kopie des Interviews zu schicken um sie dem Kibbuz zu schenken, der eine  Dokumentation über Golda Meir verwahrt.

Die Tonbänder. Bei der Arbeit als Journalist sind nichts so wertvoll wie Bandaufnahmen. Es gibt keine stenographischen Aufzeichnungen, Erinnerungen, Anmerkungen, die die lebendige Stimme einer Person ersetzten könnten. Die Bänder waren zwei Minikassetten von jeweils 90 Minuten, sowie eine weitere von  weniger als 10 Minuten. Von diesen drei hatte ich erst die Erste abgeschrieben. Ich hob sie deshalb in meiner Tasche auf, mit der Sorge, die man einem wertvollen Schmuckstück angedeihen lässt. Am folgenden Tag brach ich auf um gegen acht Uhr dreissig abends in Rom zu sein. Um neun Uhr dreissig betrat ich mein Hotel. Ein grosses Hotel. Und dort, sofort nachdem ich in meinem Zimmer war, holte ich aus meiner Tasche die drei Minikassetten heraus und verstaute sie in einen Umschlag. Diesen Umschlag legte ich auf den Schreibtisch und obendrauf meine Brille, eine wertvolle Puderdose und anderes Zeug. Dann verliess ich das Zimmer. Natürlich schloss ich es mit dem Schlüssel ab und gab diesen dem Portier. Dann verliess ich das Hotel für etwa eine Viertelstunde, ich überquerte die Strasse um ein belegtes Brötchen zu essen. Als ich zurückkam war der Schlüssel verschwunden. Man suchte ihn überall in der Rezeption, aber ohne Ergebnis. Und, als ich zu meinem Zimmer hinaufkam, stand die Tür offen. Nur die Tür. Alles andere war in Ordnung. Die Koffer waren verschlossen, die wertvolle Puderdose und die anderen Sachen, die auf den Tisch gelegt hatte, lagen noch dort wo ich sie hingelegt hatte, auf den ersten Blick schien es so, als hätte niemand etwas angerührt.  Es brauchte aber nur ein paar Sekunden bis mir auffiel, dass der Umschlag, in dem ich die Kassetten versorgt hatte, leer war und dass die Aufnahmen mit Golda Meier verschwunden waren. Auch das Aufnahmegerät in dem noch eine leere Kassette war, war verschwunden. Man hatte es aus meinem Reisesack genommen, mein Schmuckkästchen aber dort gelassen und hatte dann alles wieder im Reisesack ordentlich verstaut. Zwei Perlenketten hatten sie auf dem Tisch liegen lassen, um die Polizei in die Irre zu führen, sagte mir später die Polizei.

Die Polizei kam sofort und blieb bis zum frühen Morgen. Sogar die politische Polizei erschien in der Person von zwei unsympathischen und traurig blickenden jungen Leuten, die sich normalerweise nicht für Diebstähle interessieren, sondern für viel delikatere Sachen. Auch die Kriminalpolizei kam, mit Fotokameras und Geräten, die dazu dienen, Spuren im Fall von Tötungsdelikten aufzunehmen. Aber sie fanden nur meine Fingerabdrücke: die Diebe hatten mit Handschuhen gearbeitet. Die antipathischen und traurig blickenden Jünglinge schlussfolgerten, dass es sich um ein politisches Delikt handeln müsse. Aber das hatte ich auch selbst schon verstanden. Das, was ich nicht verstand war das warum und von wem. Von irgendeinem Araber auf der Suche nach Informationen? Von irgendeinem persönlichen Feind von Golda Meir? Von irgendeinem neidischen Journalisten? Alles war mit äusserster Sorgfalt durchgeführt worden, mit grosser Schnelligkeit und Klarheit: à la James Bond. Es war klar, dass man mit gefolgt war: niemand wusste, dass ich an diesem Tag in Rom sein würde, zu welcher Stunde, und in welchem Hotel. Und der Schlüssel? Warum war der Schlüssel aus der Rezeption verschwunden? Tags darauf geschah etwas seltsames. Im Hotel erschien eine Frau mit zwei Taschen der Fluggesellschaft und fragte nach der Polizei. Sie hatte die zwei Taschen in einem Gebüsch der Villa Borghese gefunden und wollte sie der Polizei übergeben. Was war in diesen Taschen?  Etwa zwanzig Minikassetten, identisch den meinen. Die Frau wurde sofort festgenommen und aufs Kommissariat gebracht. Dort wurde jede einzelne Kassette abgehört. Sie enthielten nur Lieder. Eine Warnung? Eine Drohung? Eine Ulk? Die Frau wusste nicht zu sagen, warum sie ausgerechnet in dieses Hotel gegangen war um nach der Polizei zu fragen.

Kommen wir auf Golda Meir zurück. Golda erfuhr vom Diebstahl den Abend danach, als sie zuhause mit Freunden war, denen sie gerade von unseren Treffen berichtete: „Vorgestern habe ich ein Erlebnis gehabt, ich habe mich damit unterhalten, ein Interview zu geben…..“ Sie wurde von einem ihrer Mitarbeiter unterbrochen, der ihr mein Telegramm überbrachte: „Man hat mir alles gestohlen, wir müssen alles wiederholen. Alles. Machen Sie es möglich, dass wir uns wiedersehen“. Wie man mir später erzählte, las sie es, fasste sich an die Brust und sagte für einige Minuten kein Wort. Dann schaute sie betrübt nach oben und sagte entschieden, in dem sie jedes einzelne Wort betonte: „Offensichtlich will jemand nicht, dass dieses Interview veröffentlicht wird. Folglich muss man es wiederholen. Findet mir ein paar Stunden, für einen neuen Termin“. Wie man mir dann versicherte, hat sie es genauso gesagt. Ich glaube nicht, dass andere Staatsmänner auf diese Weise reagiert hätten. Ich glaube, dass jeder andere an ihrer Stelle, mit den Achseln gezuckt und gesagt hätte: „Da hat sie leider Pech gehabt. Ich habe ihr schon drei Stunden gewidmet. Sie soll das schreiben, an was sie sich erinnert“. Tatsache ist, dass Golda, bevor sie Politikerin ist, eine Frau von der Art ist, die es nicht mehr gibt. Die einzige Bedingung, die stellte, war einen Monat zu warten und wirklich wurde das neue Treffen für den 14. November vereinbart. Und so war es. Als ich dann zu diesem Zeitpunkt zu ihr kam, habe ich mir nicht träumen lassen, dass ich sie so gern haben würde. Aber, um eine so bedeutende Aussage zu machen, muss ich erzählen, was mich noch mehr erschüttert hat.

Golda wohnte allein. In der Nacht war dort nicht einmal ein Hund, der über ihren Schlaf wachte, falls sie sich unwohl fühlen sollte. Es gab nur die Wache vor ihrer Wohnungstür. Das war alles. Tagsüber hatte sie eine Haushaltshilfe, die das Bett machte, Staub wischte und die Wäsche bügelte. Wenn jemand zum Abendessen kam, kochte Golda selbst und wusch danach auch das Geschirr ab, damit das Mädchen am nächsten Morgen auch alles in Ordnung vorfand. Nun, am Abend vor unserem Treffen hatte sie Gäste zum Abendessen gehabt; diese waren erst um zwei Uhr nachts gegangen und hatten ein Chaos von nichtgespülten Tellern und Gläsern und vollen Aschenbechern hinterlassen. Damit das Mädchen am nächsten Morgen nicht zu viel Arbeit hätte, hatte sich Golda um zwei Uhr nachts daran gemacht, aufzuräumen und Teller und Gläser zu spülen. Vor halb Vier war sie nicht zu Bett gegangen. Um sieben war sie wie immer aufgestanden , hatte Zeitungen gelesen und Nachrichten gehört. Um Acht hatte sie Gespräche mit einigen Generälen geführt, um Neun mit einigen Ministern. Gegen zehn hatte sie sich nicht wohl gefühlt. Wenn man über vierundsiebzig Jahre alt ist, sind dreieinhalb Stunden Ruhe zu wenig. Als ich das hörte, schämte ich mich, bei ihr einzutreten. „Verschieben wir das Interview, mir macht es nichts aus, glauben Sie mir, es macht mir nichts aus“. Aber sie wollte ihre Zusage einhalten: die Arme ist extra aus Italien hierhergekommen, und auch das zweite Mal, weil man ihr die Tonbänder gestohlen hat. Nachdem sie zwanzig Minuten auf dem Sofa in ihrem Büro ausgeruht hatte, sass sie nun hinter ihrem Schreibtisch: bleich, etwas mitgenommen aber sehr lieb. Ich solle wegen der Verspätung nicht besorgt sein, sie würde mir so viel Zeit widmen, die es braucht. Das Interview wurde also wiederholt, es verlief so wie beim ersten Mal, vielleicht sogar noch besser. Im Oktober hatte die Zeit nicht gereicht um von Ihrer Ehe zu sprechen, von dem, was die Tragödie ihres Lebens gewesen war. Diesmal sprach sie auch davon, denn davon zu sprechen war ihr ein Bedürfnis, und als sie merkte, dass die vereinbarte Zeit um war, beruhigte sie mich: „Keine Angst, morgen machen wir den Rest“. Dann widmete sie mir einen vierten Termin: eine wunderbare Stunde, in der wir über das Alter sprachen, über die Jugend, über den Tod. Gott, wie kam sie mir reizend vor, als sie dies sagte. Viele meinten, Golda sei hässlich und erfreuten sich daran, grausame Karikaturen von ihr zu machen. Nun, Schönheit ist Geschmackssache, mir erschien Golda Meir jedenfalls als eine reizende alte Frau. Viele meinten auch Golda sei zu männlich und vergnügten sich, vulgäre Witze über sie zu verbreiten. Nun, auch Weiblichkeit ist eine Geschmackssache, mir jedoch erschien Golda eine Frau aus einem Stück. Diese liebevolle Scheu, zum Beispiel. Diese fast unglaubliche Arglosigkeit wenn man bedenkt, dass sie so gerissen und listig sein konnte, wenn sie im Strudel der Politik schwamm. Diese Qual, sich als Frau zu zeigen, der es nicht genügt Kinder in die Welt zu setzen. Diese Zartheit, mit welcher sie das Zeugnis ihrer Kinder und Enkel beschwor. Diese ungewollte Koketterie. Bei unserem letzten Zusammentreffen trug sie eine himmelblaue Kreppbluse und eine Perlenkette, die sie mit den Finderspitzen berührte, als wolle sie fragen: „Steht sie mir?“  Und ich dachte: Schade, dass sie so eine mächtige Frau ist, schade, dass sie auf der Seite derjenigen steht die das Kommando haben. Bei einer solchen Frau ist die Macht ein Schönheitsfehler.

Es ist allbekannt, dass sie 1898 als Golda Mabowitz in Kiew geboren wurde, dass sie in Amerika, in Milwaukee, aufgewachsen ist, wo sie 1917 Morris Meyerson heiratete, dass beide 1918 nach Palästina emigrierten, wo Ben Gurion ihr nahelegte, den Namen in Meir abzuändern, weil das jüdischer klingt, dass ihr Erfolg sichtbar wurde als sie zur Zeit Stalins als Botschafterin nach Moskau war, dass sie mindestens sechzig Zigaretten am Tag rauchte und sich hauptsächlich von schwarzem Kaffee ernährte, dass ihr Arbeitstag achtzehn Stunden dauerte, dass sie als Minister monatlich miserable 240.000 Lire verdiente. Ich versuchte nicht hinter das Geheimnis ihre Legende zu kommen. Das folgende Interview spricht für sich selbst. Ich habe es in der Reihenfolge unserer Gespräche zusammengestellt und aus dem Englischen übersetzt, der Sprache, die sie vielleicht am besten kannte und in der wir uns unterhalten haben.

Natürlich kam die Polizei nie hinter das Geheimnis des Tonbanddiebstahls. Oder, wenn sie dahinter gekommen sein sollte; hütete sie sich davor, mir das zu sagen. Aber ein Indiz, das bald darauf mehr als nur ein Indiz wurde, zeigte sich von selbst. Es lohnt sich das zu erzählen, auch um eine andere Idee von den Mächtigen zu geben. Fast gleichzeitig mit dem Interview mit Golda Meir hatte ich auch um ein Interview mit Gaddafi nachgesucht. Und dieser hatte mir durch einen hohen Beamten der libyschen Informationsministeriums sein Einverständnis mitteilen lassen. Aber plötzlich, wenige Tage nach dem Diebstahl der Bänder, rief er den Journalist einer Wochenzeitschrift zu sich, einer Konkurrentin des „Europeo“ für den ich schrieb. Dieser Journalist begab sich eiligst nach Tripolis, und, man höre und staune, Gaddafi sagte ihm Dinge, die wie Antworten auf das klangen, was mir Golda Meir gesagt hatte. Es ist unnötig zu sagen, dass der arme Journalist das nicht wissen konnte. Aber ich merkte das natürlich - und stellte die legitime Frage: wie war es möglich, dass der Herr Gaddafi auf etwas antworten konnte, dass noch niemals veröffentlicht worden war und das niemand ausser mir wissen konnte? Dass Herr Gaddafi meine Bänder abgehört hat? Dass er es gewesen war, der mir meine Bänder hatte stehlen lassen? Und sofort kam mir ein Detail in den Sinn, das ich nicht vergessen hatte. Am Tag nach dem Diebstahl hatte ich mich in einen Detektiv verwandelt und heimlich den Abfalleimer des Hotelflures durchsucht, in dem die Tat geschehen war. Und dort, obwohl im Hotel alle geschworen hatten, dass in diesen Tagen kein Araber im Hotel abgestiegen sei, hatte ich ein Blatt Papier gefunden, auf dem etwas auf Arabisch geschrieben war. Tatsächlich hatte ich das Blatt, zusammen mit meinen Fragen, der politischen Polizei überlassen.

Das ist alles. Gaddafi gab mir nie die versprochene Gelegenheit ihn zu interviewen. Er liess mich nie nach Tripolis kommen um den infamen Verdacht zu zerstreuen, den ich immer noch mit mir herumtrage, mit Recht, wie ich glaube. Übrigens, wenn die italienische Presse es so genau interessiert und er die Frechheit besitzt, die Entlassung eines Turiner Journalisten zu fordern,  warum sollte er nicht auch die Unverschämtheit gehabt haben, mir meine Bänder in einem Hotel in Rom stehlen zu lassen?

 

Golda Meir

Guten Tag, Liebe, guten Tag. Ich war gerade dabei, Ihr Buch über den Krieg anzuschauen. Und ich habe mich gefragt, ob die Frauen auf den Krieg wirklich so anders reagieren als die Männer …..  Ich sage nein. In diesen letzten Jahren und während des Zermürbungskrieges war ich oft genötigt, gewisse Entscheidungen zu treffen: zum Beispiel unsere Soldaten an Orte zu schicken, von wo sie nicht zurückkommen würden, oder sie bei Operationen einzusetzen, die das Leben wer weiss wie vieler Menschen auf beiden Seiten kosten würden. Und ich litt ….. litt darunter. Ich gab jedoch die Befehle wie jeder Mann sie gegeben hätte. Ja, wenn ich jetzt zurückdenke, bin ich mir sogar nicht einmal sicher, ob ich mehr darunter litt als es ein Mann getan hätte. Unter meinen männlichen Kollegen habe ich einige gesehen, die von einer tieferen Traurigkeit ergriffen waren als ich. Oh, nicht, dass meine kleiner gewesen wäre! Aber sie beeinflusste nicht meine Entscheidungen, nein …. Der Krieg ist eine immense Dummheit. Ich bin davon überzeugt, dass eines Tages alle Kriege aufhören werden. Ich bin davon überzeugt, dass eines Tages die Kinder in der Schule lernen werden, dass die Geschichte der Kriege eine Geschichte der Absurditäten ist. Sie werden entsetzt sein und Krieg als einen Skandal ansehen, so wie für uns heute der Kannibalismus ein Skandal ist. Auch der Kannibalismus ist lange Zeit als etwas Normales akzeptiert worden. Heute wird er jedoch, zumindest physisch, nicht mehr ausgeübt.

Oriana Fallaci

Frau Meir, ich bin sehr erfreut, dass Sie dieses Thema als erste angeschnitten haben. Denn genau mit diesem wollte auch ich anfangen. Frau Meir, wann wird es Frieden im Nahen Osten geben? Werden wir das, diesen Frieden noch im Laufe unseres Lebens erleben?

Gold Meir

Sie vielleicht….. Ich gewiss nicht. Ich glaube, dass der Krieg im Nahen Osten noch lange dauern wird, viele Jahre. Und ich sage Ihnen warum. Wegen der Gleichgültigkeit mit welcher die arabischen Führer ihre Leute in den Tod schicken, wegen des geringen Wertes, welches sie einem Menschenleben beimessen, wegen der Unfähigkeit der arabischen Völker aufzustehen und zu sagen „Jetzt reicht’s“. Erinnern Sie sich als Chruschtschow die Verbrechen Stalins publik machte, während des 20. Kongresses der Kommunistischen Partei? Da erhob sich hinten im Saal eine Stimme, die sagte: „Genosse Chruschtschow, und wo warst Du?“ Und Chruschtschow schaute wer das gewesen sein könnte und da er niemand ausmachen konnte, fragte er: „Wer hat gesprochen?“ Und wieder erfolgte keine Antwort. Daraufhin rief Chruschtschow: „Genosse, ich war dort, wo Du jetzt stehst“. Nun, das arabische Volk befindet sich genau dort, wo Chruschtschow war und wo derjenige war, der Chruschtschow herausgefordert hatte ohne sich zu erkennen zu geben. Mit den Arabern wird es nur zum Frieden kommen, wenn diese sich weiterentwickeln, zu einer demokratischen Ordnung gelangen. Aber überall, wo ich auch hinsehe, sehe ich nicht einmal einen Schatten von Demokratie. Ich sehe nur Diktaturen. Und ein Diktator schuldet seinem Volk keinen Frieden. Nicht einmal über die Toten muss er Rechenschaft geben. Wer hat jemals erfahren wie viele ägyptische Soldaten in den letzten zwei Kriegen gestorben sind? Nur die Mütter, die Schwestern, die Ehefrauen, die Verwandten, zu denen sie nicht zurückgekehrt sind. Die Führer interessiert es nicht einmal wo sie begraben liegen. Wir hingegen ….

Oriana Fallaci

Ihr hingegen?

Golda Meir

Sehen sie sich diese fünf Bände an. Sie enthalten die Fotografie und die Biografie aller Soldaten und aller Soldatinnen, die im Krieg gefallen sind. Jeder einzelne Tod ist für uns eine Tragödie. Wir mögen keinen Krieg: nicht einmal, wenn wir ihn gewinnen. Nach dem letzten, gab es keinerlei Freude in unseren Strassen. Es gab keine Tänze, keine Lieder, keine Feiern. Und Sie hätten unsere siegreich heimkehrenden Soldaten sehen müssen. Im Gesicht von jedem stand nur Traurigkeit geschrieben. Nicht nur weil sie ihre Brüder sterben gesehen hatten, sondern auch weil sie ihre Feinde töten mussten. Viele von ihnen schlossen sich in ihr Zimmer ein und blieben still. Oder sie öffneten den Mund um immer wieder zu wiederholen: „Ich musste schiessen. Ich habe getötet“. Genau das Gegenteil von dem, was die Araber machen. Nach dem Krieg boten wir den Ägyptern einen Gefangenenaustausch an. Siebzig von ihnen gegen zehn der unseren. Die Antwort war: „Aber eure sind Offiziere und unsere sind Fellachen! Unmöglich“. Fellachen, Bauern. Ich befürchte ….

Oriana Fallaci

Fürchten Sie, dass der Krieg zwischen Israel und den Arabern nochmals ausbrechen wird?

Golda Meir

Ja, Das ist möglich. Warum? Sehen Sie, viele sagen, die Araber seien bereit, einen Vertrag mit uns zu unterschreiben, aber wer in diesen Diktaturen kann uns garantieren, dass der Vertrag eingehalten wird. Nehmen wir an, dass Sadat unterschreibt und dann ermordet wird. Oder einfach eliminiert. Wer sagt uns, dass sein Nachfolger den von Sadat unterschriebenen Vertrag respektiert? Wurde etwa der Waffenstillstand respektiert, den die arabischen Staaten mit uns abgeschlossen haben? Trotz dieses Waffenstillstandes gab es nie Frieden an unseren Grenzen und heute erwarten wir ständig, dass sie uns angreifen.

Oriana Fallaci

Aber man spricht heute von einer Vereinbarung, Frau Meir. Auch Sadat spricht davon. Ist es nicht leichter mit Sadat zu verhandeln als mit Nasser?

Golda Meir

Absolut nicht. Es ist genau das Gleiche. Aus dem einfachen Grund, weil Sadat nicht mit uns verhandeln will. Ich selbst bin bereit mit ihm zu verhandeln. Seit Jahren sage ich:“Sadat, setzen wir uns an einen Tisch und versuchen wir die Sache zu regeln“. Aber er sagt nein. Er fährt fort zu von dem Unterschied zwischen einem Abkommen und einem Vertrag zu sprechen. Er sagt er sei zu einem Abkommen bereit, aber nicht zu einem Friedensvertrag. Denn ein Friedensvertrag bedeutet die Anerkennung Israels, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Haben Sie das verstanden?  Das, auf was Sadat abzielt, ist keine definitive Regelung, das Ende des Krieges, sondern eine Art Waffenstillstand. Ausserdem lehnt er es ab mit uns direkt zu verhandeln. Er will mit uns nur über Vermittler sprechen. Wir können nicht über Vermittler verhandeln! Das hat keinen Sinn, das nützt nichts! Auch 1949 auf Rhodos, nach dem Unabhängigkeitskrieg haben wir eine Abmachung mit den Ägyptern, den Jordaniern, den Syrern und den Libanesen unterschrieben, allerdings unter Vermittlung von Dr. Bunch, der sich im Auftrag der Vereinten Nationen mal mit der einen Gruppe traf, mal mit der anderen…… Ein schönes Ergebnis.

Oriana Fallaci

Und die Tatsache, dass Hussein von Frieden spricht? Auch das bedeutet Ihnen nichts Gutes?

Golda Meir

Vor Kurzem habe ich etwas Freundliches über Hussein gesagt. Ich habe ihn gelobt, weil er öffentlich von Frieden gesprochen hat. Ich sage noch mehr: ich glaube Hussein. Ich bin überzeugt, dass er schliesslich gemerkt hat, wie falsch es wäre wenn er sich auf einem weiteren Krieg einliesse. Hussein hat verstanden, dass er 1967 einen furchtbaren Fehler gemacht hat, als er sich an dem Krieg gegen uns beteiligt hat und die Botschaft Eschkols unbeachtet liess: „Trete nicht in den Krieg ein und es wird nichts geschehen“. Er hat begriffen, dass es ein tragischer Fehler war auf Nasser zu hören, auf seine Lügen von der Bombardierung Tel Avivs. Nun will er den Frieden. Aber er will ihn nach seinen Bedingungen. Er will das linke Jordanufer, d.h. die Westbank, er will Jerusalem und beruft sich auf die Resolution der UNO. Wir haben sie schon einmal angenommen, die Resolution der UNO. Das war als man von uns die Teilung Jerusalems verlangte. Für unsere Herzen war das eine tiefe Wunde, trotzdem haben wir sie angenommen. Und die Folgen kennt man. Waren wir es vielleicht, die das jordanische Heer angegriffen haben? War es nicht das jordanische Heer, das in Jerusalem eingedrungen ist! Die Araber sind wirklich seltsam: sie verlieren die Kriege und dann wollen sie auch noch davon profitieren. Kurz, haben wir den Sechstagekrieg gewonnen oder sie? Wir haben das Recht unsere Bedingungen zu stellen, oder etwa nicht? Aber seit wann in der Geschichte hat der Angreifer, wenn er verliert, auch noch das Recht dem Gewinner die Bedingen zu diktieren? Sie tun nichts anderes als uns zu sagen: gebt uns dies zurück, gebt uns dies andere zurück, verzichtet auf dies, verzichtet auf das…….

Oriana Fallaci

Werdet ihr niemals auf Jerusalem verzichten, Frau Meir?

Golda Meir

Nein, Niemals. Nein. Jerusalem niemals, Jerusalem niemals. Das ist unvertretbar. Jerusalem steht nicht zur Diskussion. Wir werden es nicht einmal zulassen, dass über Jerusalem gesprochen wird.

Oriana Fallaci

Könntet ihr auf das Westufer des Jordan, auf die Westbank verzichten?

Golda Meir

Was das betrifft, so gibt es in Israel verschiedene Meinungen. Folglich ist es möglich, dass man über die Westbank verhandelt. Ich will Ihnen das besser erklären. Ich denke, dass die Mehrheit der Israelis niemals dem Parlament gestatten wird, auf die Westbank zu verzichten. Immerhin, wenn es zu Verhandlungen mit Hussein kommen sollte, wäre die Mehrheit der Israelis bereit, auf einen Teil der Westbank zu verzichten. Ich habe gesagt auf einen Teil: das muss klar sein. Und für den Moment, hat sich die Regierung noch nicht für ein Ja oder für ein Nein entschieden. Und ich auch nicht. Warum sollen wir uns streiten, bevor der Führer eines arabischen Staates sich bereit erklärt, sich mit uns an einen Tisch zu setzen? Ich persönlich denke, dass wenn Hussein sich entscheiden würde mit uns zu verhandeln, könnten wir ihm einen Teil der Westbank zurückgeben. Sei es nach einer Entscheidung der Regierung oder des Parlaments, sei es nach einem Referendum. Gewiss, wir könnten ein Referendum über diese Angelegenheit durchführen.

Oriana Fallaci

Und Gaza? Könntet ihr auf Gaza verzichten, Frau Meir?

Golda Meir

Ich sage, Gaza muss, sollte ein Teil Israels sein. Ja, das ist meine Meinung, ja es ist unsere Meinung. Um zu verhandeln frage ich nicht Hussein oder Sadat, ob sie mit mir in jedem Punkt übereinstimmen. Ich sage: „Meine, unsre Meinung ist, Gaza muss bei Israel bleiben. Ich weiss, dass ihr anders darüber denkt. OK, setzen wir uns an einen Tisch und fangen an zu verhandeln“. Ist das klar? Es ist wirklich nicht notwendig vor den Verhandlungen zu einem Konsens zu gelangen: Verhandlungen dienen dazu zu einem Konsens zu gelangen. Wenn ich sage, das Jerusalem nie geteilt werden wird, dass Jerusalem bei Israel bleibt, verlange ich nicht, dass Hussein und Sadat Jerusalem nicht erwähnen dürfen. Ich verlange nicht einmal, dass sie Gaza nicht erwähnen. Wenn es zu Verhandlungen kommt, können sie erwähnen was sie wollen.

Oriana Fallaci

Und die Golanhöhen?

Golda Meir

Mehr oder weniger ist das die gleiche Angelegenheit. Die Syrer wollen, dass wir vom Golan herabsteigen, damit sie uns von dort besser beschiessen können, so wie sie es vorher gemacht haben. Unnötig zu sagen, dass wir nicht einmal darüber nachdenken, wir werden die Hochebene niemals aufgeben. Ungeachtet dessen sind wir jedoch bereit auch mit den Syrern zu verhandeln. Nach unsere Bedingungen. Und unsere Bedingungen bestehen darin, dass eine Grenze zwischen Syrien und Israel festgelegt wird, die unsere Anwesenheit auf der Hochebene festigt. Anders gesagt, heute befinden sich die Syrer genau dort, wo die Grenze verlaufen sollte. Denn nur wenn sie dort bleiben, wo sie heute sind, können sie uns nicht beschiessen, so wie sie es neunzehn Jahre lang gemacht haben.

Oriana Fallaci

Und der Sinai?

Golda Meir

Wir haben nie gesagt, dass wir den ganzen Sinai wollen, oder den grössten Teil des Sinai. Wir wollen nicht den ganzen Sinai. Wir wollen nur die Kontrolle von Sharm-el-Sheik  und ein Stück Wüste, sagen wir einen Streifen Wüste, der Israel mit Sharm-el-Sheik verbindet. Ist das klar? Oder muss ich mich wiederholen? Wir wollen nicht den grössten Teil des Sinai. Vielleicht wollen wir nicht einmal die Hälfte des Sinai, denn uns interessiert es nicht am Suezkanal zu sitzen. Wir sind die ersten, die wissen, dass der Suezkanal für die Ägypter äusserst wichtig ist, dass es für sie sogar eine Prestigefrage ist ihn zu besitzen. Wir wissen auch, dass der Kanal für unsere Sicherheit keine Bedeutung hat. Wir sind ab sofort bereit, darauf zu verzichten. Wir verzichten jedoch nicht auf Sharm-el-Sheik und einen Streifen der Wüste, der uns mit Sharm-el-Sheik verbindet. Denn wir wollen, dass unsere Schiffe in Sharm-el-Sheik ein- und ausfahren können, denn wir wollen nicht noch einmal in der Situation sein, in der wir uns das letzte Mal befunden haben, als wir auf Sharm-el-Sheik verzichtet haben. Wir wollen nicht Gefahr laufen, dass wir morgens aufwachen und der ganze Sinai voll von ägyptischen Truppen ist. Auf dieser Basis, und nur auf dieser Basis, sind wir bereit mit den Ägyptern zu verhandeln. Mir erscheint das ziemlich einleuchtend.

Oriana Fallaci

Es ist also klar, dass ihr nicht wieder hinter die alten Grenzen zurückgeht.

Golda Meir

Niemals. Und wenn ich sage niemals, dann nicht weil wie neue Territorien annektieren wollen. Wir wollen nur unsere Verteidigung, unser Überleben sichern. Wenn es möglich sein sollte, den Frieden zu erreichen, von dem Sie anfangs sprachen, ist das die einzige Art und Weise auf der er zu erreichen ist. Es gäbe niemals Frieden wenn die Syrer auf die Golanhöhen zurückkehren und die Ägypter den ganzen Sinai wieder besetzen würden, wenn wir mit Hussein die Grenzen von 1967 wieder errichten würden. 1967 betrug die Distanz zwischen Natanya und dem Meer gerade zehn Meilen, d.h. fünfzehn Kilometer. Wenn wir Hussein die Möglichkeit schenken, diese fünfzehn Kilometer zu durchbrechen, dann wäre Israel in zwei Teile geteilt und ….. Man bezichtigt uns Expansionismus zu betreiben, aber es interessiert uns nicht zu expandieren, glauben Sie mir. Uns interessieren nur neue Grenzen. Und dann hören Sie: diese Araber wollen an die Grenzen von 1967 zurückkehren. Wenn sie diese Grenzen richtig fanden, warum haben sie sie dann zerstört?

Oriana Fallaci

Frau Meir, wir haben bis jetzt von Vereinbarungen, Verhandlungen und Verträgen gesprochen. Aber nach dem Waffenstillstand von 1967 hat der Krieg im Nahen Osten ein neues Gesicht erhalten, das Gesicht des Terrors, des Terrorismus. Was denken Sie über diesen Krieg und über die Männer, die ihn führen? Über Arafat zum Beispiel, über Habash, über die Führer des Schwarzen Septembers?

Golda Meir

Ich denke einfach, das sind keine Männer. Ich betrachte sie nicht einmal als Menschen, und das Schlimmste, was man von einem Menschen sagen kann, ist, dass er kein Mensch ist. Es ist wie wenn man sagt „er ist ein Tier“, oder nicht? Aber wie können die behaupten, dass das, was sie machen, „Krieg“ ist? Erinnern Sie sich nicht, was Habash gesagt hat, als er einen Autobus voller israelischer Kinder in die Luft sprengte? „Es ist das Beste die Israelis zu töten, wenn sie noch Kinder sind“. Also, das ist doch kein Krieg. Das ist nicht einmal eine revolutionäre Bewegung, eine Bewegung, die nur töten will, kann sich nicht revolutionär nennen. Hören Sie: am Anfang dieses Jahrhunderts gab es in Russlands, innerhalb der revolutionären Bewegung, die den Zar entthronen wollte, eine Partei, die im Terror ihre einzige Waffe sah. Eines Tags schickte man ein Mann dieser Partei mit einer Bombe an eine Strassenecke, an der die Kutsche mit einem hohen zaristischen Beamten vorbeifahren sollte. Die Kutsche fuhr zur vereinbarten Zeit vorbei, aber der Beamte war nicht allein: er hatte Frau und Kinder bei sich. Also was machte dieser Revolutionär? Er warf die Bombe nicht. Er liess sie in seiner Hand explodieren und wurde zerfetzt. Hören Sie, auch wir haben während des Unabhängigkeitskrieges unser Terroristengruppen gehabt: die Gruppe Stern, die Irgun. Und ich war gegen sie, und ich werde immer gegen sie sein. Jedoch keiner von ihnen hat sich solchen Verbrechen schuldig gemacht, wie sie heute von den Arabern gegen uns verübt werden. Niemand von uns hat Bomben in Supermärkten gelegt oder in Autobusse mit Kindern. Keiner von uns hat Tragödien hervorgerufen wie jene von München oder Lydda (Lod).

Oriana Fallaci

Und wie kann man den Terrorismus bekämpfen, Frau Meir? Glauben Sie wirklich, dass die Bombardierung libanesischer Dörfer etwas nützt?

Golda  Meir

Bis zu einem gewissen Punkt ja. Gewiss. Weil sich in diesen Dörfern Fedajin befinden. Selbst die Libanesen sagen: „Gewisse Gegenden sind Territorium der Fatah“. Gewisse Gegenden muss man deshalb von ihnen säubern. Sie zu säubern wäre Sache der Libanesen. Die Libanesen sagen jedoch, sie könnten nichts machen. Nun, auch Hussein sagte das als die Fedajin sich in Jordanien eingenistet hatten. Im September 1970, als Amman in Gefahr war, als sein Palast in Gefahr war und er selbst in Gefahr war, merkte Hussein, dass er doch etwas machen konnte. Er schaltete sie aus. Wenn die Libanesen fortfahren nichts zu machen, sagen wir: „Gut. Wir kennen Eure Schwierigkeiten. Ihr könnt nicht. Aber wir können. Und, um das zu beweisen, bombardieren wir die Gebiete, in denen die Fedajin sind“. Der Libanon bietet Terroristen Zuflucht, vielleicht mehr als andere arabische Länder. Die Japaner, die das Massaker von Lydda (Lod) anrichteten, kamen aus dem Libanon. Die Mädchen, die versuchten ein Flugzeug der Sabena in Tel Aviv zu entführen, waren im Libanon ausgebildet worden. Die Ausbildungscamps befinden sich im Libanon. Müssen wir vielleicht mit verschränkten Armen zusehen und beten „hoffen wir, dass nichts passiert“? Beten nützt nichts. Was nützt ist der Gegenangriff. Mit allen zu Gebote stehenden Mitteln, einschliesslich der Mittel, die auch uns nicht gefallen. Sicher ziehen wir es vor, sie auf offenem Feld zu bekämpfen. Aber weil das nicht möglich ist ….

Oriana Fallaci

Frau Meir, wären Sie bereit mit Arafat oder Habash zu sprechen?

Golda Meir

Nie! Mit denen niemals! Was will man schon mit Leuten diskutieren, die nicht einmal den Mut haben, die eigene Haut aufs Spiel zu setzen und die Bomben anderen in die Hand geben? Wie die zwei Araber in Rom, zum Beispiel, diejenigen, die den Plattenspieler mit der Bombe zwei dummen Mädchen aus England gegeben haben. Hören Sie: Wir wollen zu einem Frieden mit den arabischen Staaten gelangen, mit den verantwortlichen Regierungen der arabischen Staaten, ganz gleich welches ihr Regime ist. Ihr Regime interessiert uns nicht. Aber Leuten wie Habash, Arafat, und Schwarzer September haben wir nichts zu sagen. Die Leute, mit denen man reden kann, sind andere.

Oriana Fallaci

Meinen Sie uns Europäer, Frau Meir?

Golda Meir

Genau. Es ist notwendig, dass die Europäer und nicht nur die Europäer sich entscheiden, und das verhindern, das Sie Krieg nennen. Bis heute gab es viel zu viel Toleranz auf Eurer Seite. Eine Toleranz, gestatten Sie mir, das zu sagen, die ihre Wurzeln in einem immer noch nicht überwundenen Antisemitismus hat.  Aber der Antisemitismus hört nicht mit dem Leiden der Juden auf und Schluss. Die Geschichte hat gezeigt, dass der Antisemitismus in der Welt immer Unglück für alle angekündigt hat. Es fängt damit an, in dem man die Juden quält, und es endet damit alle zu quälen. Ein banales Beispiel: die erste Flugzeugentführung. Es handelte sich um ein Flugzeug der El Al, erinnern Sie sich? Es wurde in Algerien entführt. Also gut, die einen erklärten, dass es ihnen leid tue, andere zeigten sich beglückt, aber kein Pilot hat gesagt: „Nach Algerien fliege ich nicht mehr“. Wenn das jemand gesagt hätte, gäbe es heute den Albtraum der Flugzeugpiraterie nicht. Niemand hat reagiert, im Gegenteil, heute gehört die Luftpiraterie zum Üblichen unserer Zeit. Jeder Irre kann heute ein Flugzeug entführen um Geld zu erpressen. Politische Gründe braucht es nicht. Aber kehren wir in Europa zurück. In jeder europäischen Hauptstadt gibt es Büros der sogenannten Befreiungsbewegungen und ihr wisst sehr gut, dass es sich nicht um harmlose Büros handelt. Aber ihr tut nichts gegen sie. Dank Eures Nichtstuns und Eures Entgegenkommens vermehrt sich der Terrorismus und ihr spürt ihn sogar. Haben die Deutschen ihn nicht schon gespürt?

Oriana Fallaci

Nach der Freilassung der drei Araber haben Sie den Deutschen sehr böse geantwortet

Golda Meir

Sie müssen verstehen, welche Bedeutung die Tragödie von München für uns hat. Schon die Tatsache, dass das in Deutschland passieren konnte … Ich will damit sagen: das Nachkriegsdeutschland ist nicht Nazideutschland. Ich kenne Willy Brandt. Ich treffe ihn immer an den Tagungen der Sozialisten, einmal ist er auch hier gewesen als noch Bürgermeister von Berlin war und ich weiss gut, dass er die Nazis bekämpft hat. Nicht einen Augenblick lang habe ich gedacht, dass er diese Araber mit Freuden entlassen könnte. Aber Deutschland …. Sehen Sie, ich habe niemals einen Fuss nach Deutschland setzen können. Ich war in Österreich, aber es gelingt mir nicht nach Deutschland zu gehen. Für uns Juden sind die Beziehungen zu Deutschland ein Konflikt zwischen Kopf und Herz ….  Sie dürfen mich so etwas nicht sagen lassen. Ich bin Premierminister, ich habe eine gewisse Verantwortung. Also, ich schliesse das ab indem ich sage, dass mein strenges Urteils unumgänglich war. Die Verlautbarungen der Deutschen waren eine nachträgliche Beleidigung der Wunde, die sie uns zugefügt haben. Schliesslich können nun die drei Araber, die an dem Mord an den elf unbewaffneten Israeli beteiligt waren, nun darangehen andere Menschen zu ermorden.

Oriana Fallaci

Frau Meir, wissen Sie, was die Meinung vieler Menschen ist? Dass es den arabischen Terrorismus solange geben wird, solange es palästinensische Flüchtlinge gibt.

Golda Meir

Das ist nicht wahr, denn der Terrorismus ist zu einer Art bösartiger internationaler Gewohnheit geworden: zu einer Krankheit, die Personen anfällt, die nichts, aber auch gar nichts mit den palästinensischen Flüchtlingen zu tun haben. Denken Sie an die Japaner, die das Massaker in Lydda (Lod) angerichtet haben. Haben die Israelis vielleicht japanisches Gebiet besetzt? Und was die Fluchtlinge betrifft: wo auch immer ein Krieg ausbricht, gibt es Flüchtlinge. Es gibt nicht nur palästinensische Flüchtlinge in der Welt, es gibt pakistanische, indische, türkische, deutsche. Donnerwetter, es gab Millionen deutscher Flüchtlinge, die aus Gebieten kamen, die heute zu Russland und zu Polen gehören. Und Deutschland übernimmt die Verantwortung für diese Leute, denn es sind seine Leute. Und die Sudentendeutschen? Niemand denkt, dass sie in die Tschechoslowakei zurückkehren müssten: sie selbst wissen, dass sie niemals zurückkehren werden.  In den zehn Jahren, in denen ich mit den Vereinten Nationen zu tun hatte, habe ich nie von Sudentendeutschen gehört, die aus der Tschechoslowakei ausgewiesen wurden. Warum kümmern sich alle nur um die Palästinenser und um niemanden anders?

Oriana Fallaci

Aber der Fall Palästina ist anders, Frau Meir, denn ….

Golda Meir

Er ist es sicher. Und wissen Sie warum? Wenn es einen Krieg gibt, flüchten die Leute, normalerweise in Länder, in denen man eine andere Sprache spricht, eine andere Religion hat. Die Palästinenser flüchteten hingegen in Länder, in denen man dieselbe Sprache spricht und die gleiche Religion hat. Sie flüchteten nach Syrien, in den Libanon, nach Jordanien, und dort tat niemand etwas um ihnen zu helfen. Und was Ägypten betrifft, so haben die  Ägypter, die Gaza nahmen, den Palästinensern nie erlaubt, zu arbeiten und hielten sie in Armut um sie als Waffe gegen uns zu benutzen. Es war stets die Politik der arabischen Staaten, die Flüchtlinge als eine Waffe gegen uns zu benutzen. Hammarskjöld  hatte einen Plan zur Entwicklung des Nahen Ostens vorgeschlagen, und dieser Plan sah vor allem eine Wiederansiedlung der palästinensischen Flüchtlinge vor. Aber die arabischen Länder haben den Plan abgelehnt.

Oriana Fallaci

Frau Meir, haben Sie nicht ein wenig Mitgefühl für sie?

Golda Meir

Gewiss habe ich das. Aber Mitgefühl heisst nicht Verantwortung. Und die Verantwortung für die Palästinenser haben nicht wir: es ist Sache der Araber. Wir in Israel, haben etwa eine Million und vierhunderttausend arabische Juden aufgenommen: Aus dem Irak, aus dem Jemen, aus Ägypten, aus Syrien, aus nordafrikanischen Ländern wie Marokko; Leute, die als sie zu uns kamen, voller Krankheiten waren und nichts konnten. Unter den siebzigtausend Juden aus dem Jemen, zum Beispiel, war nicht ein Arzt und nicht eine Krankenschwester: und fast alle hatten Tuberkulose.  Und trotzdem haben wir sie aufgenommen und haben Krankenhäuser für sie eingerichtet. Wir haben sie gepflegt, wir haben sie ausgebildet, wir haben ihnen saubere Wohnungen gegeben und haben aus ihnen Bauern, Ärzte, Ingenieure und Lehrer gemacht. Unter den hundertfünfzigtausend Juden aus dem Irak gab es nur eine ganz kleine Gruppe Intellektueller: trotzdem besuchen die Kinder von ihnen heute die Universitäten. Sicher haben wir auch Probleme mit ihnen - es ist nicht alles Gold was glänzt - aber es bleibt die Tatsache, dass wir sie aufgenommen und ihnen geholfen haben. Die Araber haben hingegen keinen Finger für ihre Leute krumm gemacht. Sie bedienen sich ihrer und das ist alles.

Oriana Fallaci

Frau Meir, und wenn Israel den palästinensischen Flüchtlingen erlauben würde zurückzukommen?

Golda Meir

Unmöglich. Zwanzig Jahre lang sind sie mit Hass gegen uns gefüttert worden: sie können nicht mehr hierher zurückkehren. Ihre Kinder sind nicht hier geboren, sie sind in Lagern geboren worden, und alles was sie wissen, ist, dass man die Israelis ermorden muss, dass man Israel zerstören muss. Wir haben in den Schulen in Gaza Rechenbücher gefunden, in denen Aufgaben wie diese standen: „Du hast fünf Israelis. Du tötest drei. Wie viele Israelis musst du noch umbringen?“ Wenn man solche Dinge Kindern von sieben oder acht Jahren beibringt, vergeht jede Hoffnung. Es wäre schlimm wenn es für sie noch eine andere Lösung gäbe als die hierher zurückzukommen. Diese Lösung gäbe es. Das haben die Jordanier gezeigt als sie ihnen die Staatsbürgerschaft gaben und sie dazu aufriefen ein Land namens Jordanien aufzubauen. Das was Abdullah und Hussein gemacht haben ist sehr viel besser als das was die Ägypter gemacht haben. Wissen Sie, dass in den guten Jahren, in Jordanien, Palästinenser den Posten des Premierministers und des Aussenministers innehatten? Wissen Sie, dass nach der Teilung im Jahre 1922 nur dreihunderttausend Beduinen in Jordanien lebten und dass die palästinensischen Flüchtlinge die Mehrheit bildeten? Warum betrachten sie nicht Jordanien als ihr Land?

Oriana Fallaci

Weil sie sich nicht als Jordanier betrachten, Frau Meir. Weil sie sagen, sie wären Palästinenser und ihr Zuhause sei Palästina und nicht Jordanien.

Golda Meir

Also muss man sich über den Begriff Palästina klar werden. Man muss daran erinnern, dass, als England das Mandat erhielt, Palästina das Gebiet zwischen dem Mittelmeer und dem Irak war. Dieses Gebiet erstreckte sich auf beiden Seiten des Jordan, selbst der Hohe Kommissar, der dort regierte war der Gleiche. Dann, im Jahre 1922, teilte Churchill das Gebiet und der Teil östlich des Jordans wurde Cisjordanien und das Gebiet westlich des Jordans wurde Transjordanien. Zwei Namen für die gleichen Leute. Abdullah, der Grossvater Husseins bekam Transjordanien und nahm sich später auch noch Cisjordanien, aber, ich wiederhole es, es handelte sich immer um die gleichen Leute, um das gleiche Palästina. Bevor Arafat Israel liquidiert, müsste er Hussein liquidieren. Aber Arafat ist so unbedarft. Er weiss nicht einmal, dass, am Ende des Ersten Weltkriegs, das, was heute Israel ist, sich nicht Palästina nannte, es nannte sich Südsyrien. Und dann …. Wenn wir schon von Flüchtlingen sprechen, dann möchte ich daran erinnern, dass für Jahrhunderte die Juden die Flüchtlinge par excellence waren. Zerstreut in Länder, in denen man ihre Sprache nicht sprach, ihre Religion nicht praktizierte, ihre Sitten nicht kannte…… Russland, Tschechoslowakei, Polen, Deutschland, Frankreich, Italien, England, Arabien, Afrika ….. eingeschlossen in Ghettos, verfolgt, ausgerottet. Und trotzdem haben sie überlebt und haben nie aufgehört ein Volk zu sein und sie haben sich zusammengefunden um eine Nation zu gründen……

Oriana Fallaci

Aber genau das ist es, was die Palästinenser wollen, Frau Meir: eine Nation werden. Genau deshalb sagen einige, sie müssten ihren eigenen Staat auf der Westbank haben.

Golda  Meir

Hören Sie, ich habe Ihnen schon erklärt, dass westlich und östlich des Jordans die gleichen Leute leben. Ich habe Ihnen auch erklärt, dass diese sich zuerst Palästinenser und dann Jordanier nannten. Ob sie sich heute Palästinenser oder Jordanier nennen wollen, interessiert mich keinen Deut. Das ist nicht meine Sache. Es ist jedoch meine Sache, dass sich, zwischen Israel und, dem was sich jetzt Jordanien nennt, kein weiterer arabischer Staat etabliert. In dem Strich zwischen Mittelmeer und den Grenzen des Irak gibt es Platz nur für zwei Staaten: einen arabischen und einen jüdischen. Wenn wir einen Friedensvertrag mit Hussein abschliessen und die Grenzen zu Jordanien festlegen, das, was auf der anderen Seite der Grenze geschieht interessiert Israel nicht. Die Palästinenser können sich mit Hussein arrangieren wie sie wollen, können ihren Staat nennen wie sie wollen, können ihm eine Regierungsform geben, wie sie wollen. Wichtig ist nur, dass kein dritter arabischer Staat zwischen uns und Jordanien entsteht. Den wollen wir nicht. Wir können uns das nicht erlauben. Denn dieser würde als ein Messer gegen uns benutzt werden.

Oriana Fallaci

Frau Meir, ich möchte jetzt ein anderes Thema anschneiden. Folgendes. Wenn man einen Traum hat, dann nährt sich dieser Traum von einer Utopie.  Und wenn dieser Traum Wirklichkeit wird, entdeckt man, dass …. eine Utopie eine Utopie bleibt. Sind Sie mit dem zufrieden was heute Israel ist?

Golda Meir

Ich bin eine aufrichtige Frau. Ich antworte Ihnen aufrichtig, als Sozialistin. Nein: ich kann nicht sagen, dass Israel das ist, was ich geträumt habe. Als sozialistische Jüdin, die immer grossen Nachdruck auf die jüdische Komponente ihres Sozialismus gelegt hat, muss ich sagen, Israel ist mehr als ich mir erträumt habe. Ich erkläre Ihnen das. Die Verwirklichung des Zionismus ist für mich ein Teil des Sozialismus. Ich weiss, andere Sozialisten gehen diesbezüglich nicht mit mir einig, aber ich denke so. Ich bin nicht objektiv in dieser Sache, ich denke dass es ein paar grosse Ungerechtigkeiten in der Welt gibt: die unter der die Schwarzafrikaner leiden und die Unterdrückung der Juden. Und dann bin ich der Meinung, dass diese beiden Ungerechtigkeiten sich nur mittels eines sozialistischen Prinzips korrigieren lassen. Dem jüdischen Volk Gerechtigkeit zukommen zu lassen ist die Aufgabe meines Lebens und … sagen wir es kurz: vor vierzig oder fünfzig Jahren habe ich in der Tat nicht daran geglaubt, dass die Juden einen eigenen Staat haben würden. Diesen Staat gibt es heute. Deshalb scheint es mir nicht gerechtfertigt, sich zu stark über dessen Fehler und dessen Schuld zu grämen. Wir haben einen Boden, auf dem wir unsere Füsse setzen können, wo wir unsere sozialistischen Ideale, die vorher reine Luftschlösser waren, verwirklichen können. Das ist schon viel.

Oriana Fallaci

Was gefällt Ihnen an Israel nicht? Was enttäuscht Sie?

Golda Meir

Oh, ich glaube, dass keiner von uns Träumern am Anfang daran gedacht hat, dass es Schwierigkeiten geben könnte. Zum Beispiel, haben wir nie die Probleme vorausgesehen, welche das Zusammenleben von Juden bereiten könnte, die aus den verschiedensten Ländern stammen und für viele Jahrhunderte getrennt waren. Ja, es sind Juden aus aller Welt gekommen, wie wir es wollten. Aber jede Gruppe hatte ihre eigene  Sprache, ihre eigene Kultur, und eine mit den anderen Gruppen zu vereinen ist sehr viel schwerer gewesen, als es theoretisch erschien. Es ist nicht einfach aus so vielen verschiedenartigen Leuten ein homogenes Volk zu machen…… Zusammenstösse waren unvermeidbar. Und das hat mir nicht gefallen. Ich war enttäuscht. Ihnen erscheint das wahrscheinlich dumm und naiv - aber ich dachte ausserdem, dass es in einem jüdischen Staat nicht die Probleme geben würde, die es in anderen Staaten gibt: Diebstahl, Mord, Prostitution …… Ich dachte mir das so, denn wir hatten gut angefangen: vor fünfzehn Jahren gab es in Israel fast keine Diebstähle, es gab keine Morde und es gab keine Prostitution. Heute haben wir hingegen alles das.  Und das ist etwas, das mein Herz betrübt: es schmerzt mich mehr als zu entdecken, dass wir es noch nicht zu einer gerechteren und gleicheren Gesellschaft gebracht haben.

Oriana Fallaci

Frau Meir, glauben Sie immer noch an den Sozialismus wie vor vierzig Jahren?

Golda Meir

Im Grunde schon. Die Grundidee ist immer noch die Gleiche. Aber wenn man überzeugend sein will, muss man die Dinge auch realistisch betrachten. Muss man zugestehen, dass es eine grossen Unterschied gibt zwischen sozialistischer Ideologie und praktiziertem Sozialismus. Alle sozialistischen Parteien, die einem Land an die Regierung gelangt sind und Verantwortung übernommen haben, mussten Kompromisse eingehen. Und nicht nur das: seitdem die Sozialisten in einzelnen Ländern an der Macht sind, ist der internationale Sozialismus schwächer geworden. Der internationalen Sozialismus, den es gab als ich ein junges Mädchen war, das heisst als keine sozialistische Partei an der Macht war, war eine Sache, eine andere ist es Sozialismus heute zu betreiben. Der Traum, den ich hatte, der Traum einer gerechten Welt, die im Sozialismus vereint ist, hat sich aufgelöst. Die nationalen Interessen haben die internationalen überwogen, die schwedischen Sozialisten haben sich vor allem als Schweden entpuppt, die englischen Sozialisten haben sich vor allem als Engländer erwiesen und die jüdischen Sozialisten sind vor allem Juden. Das habe ich zu verstehen begonnen während des Spanischen Bürgerkrieges. Damals waren Sozialisten einer Menge Länder an der  Macht, aber keiner hat für die spanischen Sozialisten einen Finger krumm gemacht.

Oriana Fallaci

Aber von welchem Sozialismus sprechen Sie, Frau Meir? Ich will sagen: würden Sie mit Nenni übereinstimmen wenn er sagt, dass er soweit gekommen ist, den schwedischen Sozialismus zu bevorzugen?

Golda Meir


Sicher! Sehen Sie warum: man kann Träume haben, wie man will, aber, wenn man träumt, ist man nicht wach. Und wenn man wach ist, merkt man, dass der Traum wenig mit der Realität zu tun hat. Frei sein, sagen zu dürfen, was man will, ist unabdingbar. …. Sowjetrussland ist nicht arm, nicht unwissend, trotzdem getraut sich dort das Volk nicht, den Mund aufzumachen. Und Privilegien gibt es immer noch… Bei den Vereinten Nationen habe ich nie einen Unterschied feststellen können zwischen den Aussenministern der sozialistischen Länder und den Aussenministern  der reaktionären Länder. Vor einem Jahr, haben sie sich der Stimme enthalten und liessen eine Resolution passieren, welcher die Kriegsverbrechen definiert sind. Das habe ich dann meinen sozialistischen Kollegen gesagt, als ich sie bei der Wiener Konferenz getroffen habe: „Dein Land hat sich der Stimme enthalten. Damit bin ich nun ein Kriegsverbrecher, oder was?“
Aber Sie sprachen von Pietro Nenni ….. Nenni ist eine andere Sache. Nenni ist ein anderes Kapitel der Geschichte des Sozialismus. Nenni ist einer der besten Personen, die es heute auf der Welt gibt. Denn er ist so rechtschaffen: in ihm ist eine solche Rechtschaffenheit, eine solche Menschlichkeit, ist ein solcher Mut in seinen Ansichten! Ich bewundere ihn wie keinen anderen. Ich bin stolz darauf ihn einen Freund nennen zu dürfen.  Und … über den Sozialismus denke ich wie er.

Oriana Fallaci

Frau Meir, wissen Sie was ich mich gefragt habe während ich Ihnen zuhörte? Ich habe mich gefragt ob diese vielen Bitternisse Sie nicht zynisch gemacht oder zumindest ernüchtert haben.

Golda Meir

Oh, das nicht. Ich bin auf keinen Fall zynisch! Ich habe nur meine Illusionen verloren - alle. Zum Beispiel, vor vierzig oder fünfzig Jahren glaubte ich, ein Sozialist sei immer eine anständige Person, unfähig zu lügen. Heute hingegen weiss ich, dass ein Sozialist ein Mensch wie jeder andere ist, der lügen kann wie jeder andere, der sich gemein betragen kann wie jeder andere. Das ist traurig, sicher, aber es reicht nicht, um das Vertrauen in die Menschen zu verlieren. Es reicht nicht um daraus zu schliessen, dass der Mensch von Grund auf böse ist. Nein, nein! Sehen Sie, wenn ich jemanden kennenlerne, gehe ich immer davon aus, dass es sich um eine anständige Person handelt und fahre fort so zu denken bis ich nicht das Gegenteil sehe. Auch wenn ich das Gegenteil sehe, dann sage ich nicht sofort, das ist ein schlechter Mensch. Ich sage: mit mir ist er schlecht gewesen. Das heisst, ich bin nicht misstrauisch. Von den Leuten erwarte ich mir nie das Schlimmste. Aber ich weiss nicht, ob ich mich deshalb einen Optimist nennen darf. In meinem Alter ist Optimismus ein übertriebener Luxus. In meinem langen Leben habe ich viel Böses gesehen, das ist wahr. Zum Ausgleich  habe ich aber auch, viel Gutes gesehen. Viel, sehr viel…….  Wenn ich mich an die vielen Personen erinnere, die ich kennengelernt habe, so sind darunter  - und das Sie können Sie mir glauben - sehr wenige, die ich komplett negativ einschätze.

Oriana Fallaci

Sind Sie religiös, Frau Meir?

Gold Meir

Nein, Beileibe nicht! Das bin ich nie gewesen. Nicht einmal als junges Mädchen. Nein, mein Verhalten hat keinen religiösen Hintergrund. Es kommt von meinem instinktiven Vertrauen in den Menschen, von meiner hartnäckigen Liebe zur Menschlichkeit. Die Religion ….. Wissen Sie, meine Familie war traditionalistisch aber nicht religiös. Nur mein Grossvater war religiös, aber was den betrifft, so geht das sehr weit zurück, auf Zeiten, in denen wir in Russland lebten. In Amerika, sehen Sie …. sprachen wir unter uns hebräisch, wir feierten die Feste, aber in den Tempel (in die Synagoge) gingen wir äusserst selten. Ich ging nur an Neujahr dorthin, um meine Mutter zu begleiten und ihr zu helfen dort einen Sitzplatz zu finden. Das einzige Mal, dass ich den Gebeten in einer Synagoge beigewohnt habe, war in Moskau. Und wissen Sie, was ich denke? Wenn ich in Russland geblieben wäre, wäre ich religiös geworden. Vielleicht.

Oriana Fallaci

Warum?

Golda Meir

Weil in Russland die Synagoge der einzige Ort war, an dem Juden sich selbst sein konnten. Im Jahr 1948, als ich von meiner Regierung als Missionschef nach Moskau geschickt wurde, hören Sie was ich machte: Vor der Abreise, versammelte ich die Leute meiner Delegation und sagte: „Nehmt alle Gebetsbücher mit, alle Gebetsmäntel, die Kappen, alle Sachen. Ich bin sicher, dass wir Juden nur in der Synagoge  begegnen werden“. Nun, es geschah genauso. Natürlich am ersten Samstag wusste niemand ob er in die Synagoge ginge und ich traf dort gerade einmal zweihundert Personen, oder ein paar mehr.  Aber zu Rosh Hashana, das heisst an Neujahr und an Jom Kippur, das heisst am Versöhnungstag, kamen Tausende.  Ich blieb in der Synagoge vom Morgen bis zum Abend, und im Moment an dem der Rabbiner den letzten Vers des Versöhnungsgebets sprach, den, in dem es heisst „Leshana habaa b’Jerushalajim“, „das nächste Jahr in Jerusalem“, schien die ganze Synagoge zu erzittern. Und ich, die ich eine gefühlsbetonte Frau bin, betete wirklich. Wirklich. Verstehen Sie, es war nicht wie wenn man bei einem Treffen in Buenos Aires oder New York sagt „Nächstes Jahr in Jerusalem“. Von Buenos Aires und New York nimmt du das Flugzeug und fliegst nach Israel. Aber in Moskau nahm dieser Ausruf einen besonderen Klang an. Und beim Gebet sagte ich wirklich: „Gott mach es wahr! Wenn nicht nächstes Jahr so doch in ein paar Jahren“. Ob es Gott gibt und er mich erhört hat?  Es soll tatsächlich vorkommen.

 Oriana Fallaci

Frau Meir, haben Sie keinerlei gefühlsmässige Beziehung zu Russland?

Golda Meir

Nein, keinerlei. Wissen Sie, viele meiner Freunde, die Russland als Erwachsene verlassen haben, sagen, sie fühlten sich mit diesem Land verbunden, mit seiner Landschaft, mit seiner Literatur, mit seiner Musik. Aber ich hatte keine Zeit um solche Sachen zu schätzen. Ich viel zu klein, als ich Russland verliess war ich gerade acht Jahre alt und an Russland habe ich nur schlechte Erinnerungen. Nein, Russland habe ich nicht mit mir herumgetragen, nicht einmal in Augenblicken der Freude. Alle meine Erinnerungen bis zum Alter von acht Jahren sind mehr oder weniger tragisch. Der Albtraum der Pogrome, die Brutalität der Kosaken, die die jungen Sozialisten niederritten, die Angst, die Schreie: das ist das Gepäck, dass ich aus Russland in die Vereinigten Staaten mitgenommen habe. Wissen Sie, was die erste Erinnerung meine Lebens ist? Die an meinen Vater, der die Fenster und Türen zunagelt, um die Kosaken daran zu hindern in unser Haus einzudringen und uns zu ermorden. Oh, die Hammerschläge auf die Holzbretter. Oh, der Lärm der Pferdehufe als die Kosaken unsere Strasse heraufritten.

Oriana Fallaci

Wie alt waren sie damals?

Golda Meir

Fünf oder sechs Jahre. Aber ich erinnere mi8ch an das alles auf sehr lebendige Weise. Wir wohnten in Kiew und am Tag als mein Vater Kiew verliess um in die Vereinigten Staaten zu gehen ….. Wir waren sehr arm, wir hatten nicht einmal genug zu essen, und er dachte daran nach Amerika zu gehen für ein oder zwei Jahre, etwas Geld zurückzulegen und dann zurückzukehren. Am Anfang des 20. Jahrhunderts, war Amerika für die Juden eine Art Bank, zu der man geht um die Dollars aufzusammeln, die dort auf dem Trottoir herumliegen und von wo man mit vollen Taschen zurückkehrt. Also verliess mein Vater Kiew, denn Kiew war keine Stadt für Juden, die keine Arbeit hatten, zum Beispiel gab es keine Arbeit für meinen Vater, der ein Handwerker war. Und als er gegangen war  mussten auch wir gehen. Und wir gingen nach Pinsk, ich, meine Mutter und meine beiden Schwestern. Es war im Jahr 1903. In Pinsk blieben wir bis 1905, dem Jahr, in dem die Brutalität des zaristischen Regimes ihren Höhepunkt erreichte. Die Verfassung von 1905 war in Wahrheit eine schmutzige Lüge: ein Trick um die Sozialisten besser konzentrieren und einsperren zu können. Und meine ältere Schwester, die neun Jahre älter war als ich, gehörte der sozialistischen Bewegung an. Wegen ihrer politischen Aktivitäten blieb sie oft bis spät in die Nacht ausser Haus und meine Mutter drehte durch, denn unsere Wohnung war gleich neben dem Polizeikommissariat, wohin sie die verhafteten Sozialisten brachten und …. Sie prügelten sie zu Tode und man hörte ihre Schreie, jeden Abend! Meine Mutter glaubte immer die Stimme meiner Schwester wiederzuerkennen: „Es ist sie! Es ist sie!“. Oh, wie waren wir glücklich als mein Vater schrieb, wir sollten zu ihm nach Amerika kommen, denn in Amerika lebte man gut.

Oriana Fallaci

Sie sind sehr mit Amerika verbunden, nicht wahr?

Golda Meir

Ja, und nicht nur weil ich Amerika aufgewachsen bin, denn in Amerika habe ich studiert und gelebt bis ich zwanzig war. Denn ….. also, in Amerika habe ich die Angst verloren, die ich in Pinsk, in Kiew hatte. Wie soll ich den Unterschied erklären, der für mich zwischen Amerika und Russland besteht. Sehen Sie, als wir ankamen war ich etwas mehr als acht Jahre alt, meine ältere Schwester war siebzehn und meine kleinere Schwester viereinhalb Jahre alt. Mein Vater hatte Arbeit und gehörte den Gewerkschaften an. Er war sehr stolz auf seine Gewerkschaften und zwei Monate später, am Labour Day, sagte er zu meiner Mutter: „Heute machen wir einen Umzug. Wenn ihr an die und die Strassenecke kommt, seht ihr mich mit meinen Gewerkschaften marschieren“. Meine Mutter brachte uns dorthin und während wir dort an der Strassenecke standen und auf den Umzug warteten, kamen berittene Polizisten, um die Strasse für den Umzug freizumachen. Haben Sie gehört? Aber meine kleine, viereinhalb Jahre alte Schwester wusste das nicht und als sie die Polizisten auf ihren Pferden sah, fing sie an zu zittern und schrie: „Die Kosaken, die Kosaken!“ Wir mussten sie fortbringen ohne meinem Vater die Genugtuung zu gegeben zu haben ihn mit seinen Gewerkschaften marschieren zu sehen. Sie blieb tagelang mit hohem Fieber im Bett und wiederholte immer wieder: „Die Kosaken, die Kosaken!“  „Kurz, das Amerika, das ich kennengelernt habe, ist ein Land, in dem Männer auf Pferden den Umzug von Arbeitern schützen, und das Russland, das ich kennengelernt habe, ist ein Land, in welchen die Männer auf Pferden junge Sozialisten und Juden massakrieren.

Oriana Fallaci

Es ist zwar nicht ganz so, Frau Meir, aber immerhin ……

Golda Meir

Ach, hören Sie! Amerika ist ein grosses Land. Es hat seine Schwächen, es gibt viele soziale Ungleichheiten, und es ist eine Tragödie zu sehen, dass das Negerproblem seine Lösung nicht vor fünfzig oder hundert Jahren gefunden hat. Aber trotzdem bleibt es grossartiges Land, ein Land mit vielen Möglichkeiten, ein freies Land! Aber ist es etwa nichts, dass man dort sagen darf, was man will, schreiben darf, was man will, auch gegen die Regierung, auch gegen das Establishment? Vielleicht bin ich nicht objektiv, aber gegenüber Amerika empfinde ich eine grosse Dankbarkeit! Mit Amerika fühle ich mich eng verbunden: OK!

Oriana Fallaci

OK. Jetzt sind wir endlich bei der Person Golda Meirs angelangt. Wollen wir nun über die Frau reden, die Ben Gurion einmal den fähigsten Mann meiner Regierung genannt hat?

Golda Meir

Das ist einer der Legenden, die um mich entstanden sind. Und es ist auch eine Legende, die ich immer als irritierend angesehen habe, obwohl die Männer sie als ein grosses Kompliment betrachten. Ist es eins? Ich würde das nicht sagen. Denn was bedeutet das im Grunde schon? Dass ein Mann zu sein etwas Besseres ist als eine Frau zu sein: mit diesem Prinzip bin keineswegs einverstanden. Und das will ich denjenigen sagen, die mir ein solches Kompliment machen. Und wenn Ben Gurion gesagt hätte: „Die Männer meiner Regierung sind so fähig wie eine Frau“? Die Männer fühlen sich immer so überlegen. Ich werde niemals vergessen was beim Kongress meiner Partei in den 30er Jahren in New York geschah. Ich hielt eine Rede und unter den Leuten, die mir zuhörten, war einer meiner Freunde, ein Schriftsteller. Eine anständige Person, ein Mann von grosser Feinheit und grosser Kultur. Als ich geendet hatte kam er zu mir und sagte: „Bravo“! Du hast eine hervorragende Rede gehalten! Besonders wenn man bedenkt, dass Du nur eine Frau bist!“ Genauso sagte er es: auf eine völlig spontane und instinktive Art. nur gut, dass ich auf solche Sachen mit Humor reagiere ….

Oriana Fallaci

Den Frauen von der feministischen Bewegung würde das gut gefallen, Frau Meir.

Golda Meir

Sie meinen diese Verrückten, die ihre Büstenhalter verbrennen und völlig aus den Angeln gehoben herumlaufen und die Männer hassen? Verrückte sind das. Verrückte. Aber wie kann man nur solche Verrückten ernst nehmen, denen schwanger zu werden ein Unglück bedeutet und Kinder zu kriegen eine Katastrophe? Aber das ist doch das grösste Privileg, das wir Frauen gegenüber den Männern haben! Der Feminismus  …. Hören Sie: ich bin zur Politik gekommen zur Zeit des Ersten Weltkriegs, als ich sechszehn oder siebzehn Jahre alt war, und ich war nie Mitglied einer Frauenorganisation. Als ich mich bei der zionistischen Arbeiterpartei eingeschrieben habe, habe ich dort nur zwei Frauen getroffen: zu 90 Prozent waren meine Genossen Männer. Und mit Männern habe ich mein ganzes Leben zusammengelebt und zusammengearbeitet. Und den Umstand Frau zu sein habe ich nie, ich sage nie, als Hindernis empfunden. Er ist mir nie unangenehm gewesen oder hat mir Minderwertigkeitskomplexe bereitet. Die Männer haben mich immer mit Respekt behandelt.

Oriana Fallaci

Wollen Sie damit sagen, dass sie die Männer den Frauen vorziehen?

Golda Meir

Nein, ich sagte, dass ich nie unter den Männern zu leiden hatte nur weil ich eine Frau bin. Ich sagte, dass die Männer mich nie besonders zuvorkommend behandelt haben, aber sie haben mir auch keine Hindernisse in den Weg gelegt. Gewiss habe ich Glück gehabt, sicher haben nicht alle Frauen die gleiche Erfahrung wie ich gemacht: wie auch immer, mein persönlicher Fall ist keine Bestätigung dafür, dass diese verrückten Frauen Recht haben. Es gibt einen einzigen Punkt in dem ich mit ihnen übereinstimme: um Erfolg zu haben muss eine Frau sehr viel besser sein als ein Mann. Sei es in einem Beruf oder in der Politik. In unserem Parlament gibt es wenig Frauen: etwas, das mich ziemlich stört. Und diese wenigen Frauen, das garantiere ich Ihnen, sind keineswegs weniger fähig als die Männer. Oft sind sie sogar viel tüchtiger als die Männer. Deswegen ist es lächerlich, wenn gegenüber den Frauen immer noch viele Vorbehalte bestehen, viele Ungerechtigkeiten. Wenn zum Beispiel eine Liste für die Wahlen aufgestellt wird, sieht man Namen von Männern und Schluss. Aber ist das alles nur Schuld der Männer? Wohl nicht, vielleicht zum Teil, auch die Frauen haben selbst schuld.

Oriana Fallaci

Frau Meir, Sie haben eben gesagt, dass eine Frau um Erfolg zu haben sehr viel tüchtiger sein muss als ein Mann. Heisst das vielleicht nicht, dass es viel schwieriger ist eine Frau zu sein als ein Mann?

Golda Meir

Ja, gewiss. Schwieriger, anstrengender, mühsamer. Aber nicht unbedingt wegen der Männer: aus biologischen Gründen, würde ich sagen. Wer Kinder gebiert ist die Frau und wer die Kinder aufzieht, ist ebenfalls die Frau. Und wenn eine Frau nicht nur Kinder gebären und aufziehen will ….. wenn eine Frau auch arbeiten will, jemand sein will …. Nun das ist hart. Sehr hart. Ich weiss das aus persönlicher Erfahrung. Du bist bei der Arbeit und denkst an deine Kinder, die du zuhause gelassen hast. Du bist zuhause und denkst an deine Arbeit, die im Augenblick keiner macht. Da bricht in dir ein innerer Kampf aus: die Herz zerreisst. Es sei denn du lebst in einem Kibbuz, wo das Leben so organisiert ist, dass du beides kannst, arbeiten und Kinder haben. Ausserhalb des Kibbuz ist alles ein Rennen, ein ständiges Sichzersplittern, ein Angstzustand und …. Es ist unvermeidlich, dass das sich alles auf die Familie auswirkt . Vor allem wenn dein Mann kein Gesellschaftstier ist wie du selbst und sich mit einer aktiven Frau unwohl fühlt, mit einer Frau, der es nicht reicht nur Ehefrau zu sein. Das gibt es einen Zusammenstoss. Und der Zusammenstoss zerstört die Gemeinschaft. So wie es mir passiert ist. Ja ich habe dafür bezahlt, um zu sein wie ich bin. Ich habe viel dafür bezahlt.

Oriana Fallaci

In  welcher Form, Frau Meir?

Golda Meir

In Form des Schmerzes. Denn, sehen Sie, ich weiss, dass meine Kinder, als sie noch klein waren viel wegen mir gelitten haben. Ich habe sie oft allein gelassen. Ich bin nie mit ihnen zusammen gewesen, wie ich es gesollt hätte und gewollt habe. Oh, ich erinnere mich wie sie glücklich waren, meine Kinder, jedes Mal wenn ich nicht arbeiten ging weil ich Kopfschmerzen hatte. Sie tanzten, lachten und sangen: „Mamma bleibt zuhause! Mamma hat Kopfschmerzen!“ Ich sehe mich in grosser Schuld gegenüber Sarah und Menachem, selbst heute noch, wo sie erwachsen sind und ihrerseits Kinder haben. Und trotzdem, trotzdem muss ich ehrlich sein und mir sagen: „Golda, du musst dir bis auf den Grund Vorwürfe machen wie du dich verhalten hast, wie du dich ihnen gegenüber verhalten hast. Nein, nicht bis auf den Grund. Denn durch mein Leiden habe ich ihnen auch ein interessantes Leben gegeben, ein weniger banales als das normale. Ich will sagen, sie sind nicht in einer beengenden Familienatmosphäre aufgewachsen. Sie haben viele wichtige Persönlichkeiten kennengelernt, haben tiefschürfenden Diskussionen beigewohnt, waren bei wichtigen Dingen zugegen. Und wenn Sie sie darauf ansprechen, werden sie es Ihnen bestätigen. Sie werden sagen: „Ja, die Mamma hat uns zu viel vernachlässigt, wir haben oft unter ihrer Abwesenheiten, wegen ihrer Politik, ihrer Zerstreutheit gelitten, aber wir können ihr keinen Vorwurf daraus machen, denn so wie sie war, hat sie uns viel mehr gegeben als eine andere Mutter uns hätte je geben können!“ Sie glauben nicht, wie stolz ich war, an jenem Tag als …. 1948, in der Zeit, in der wir mit den Engländern gekämpft haben, schrieb ich Aufrufe, die die jungen Leute von unserer Bewegung nachts an die Mauern klebten. Meine Tochter wusste nicht, dass ich es war, die diese Aufrufe verfasste, und eines Tages sagte sie zu mir: „Mamma, heute Abend komme ich spät nachhause. Und vielleicht komme ich überhaupt nicht mehr“. „Warum?“, fragte ich sie allarmiert. „Ich kann es dir nicht erklären, Mamma“. Dann ging sie, mit einem Paket unter dem Arm. Niemand konnte besser wissen als ich was in dem Paket war, und die Aufrufe nachts anzukleben war sehr gefährlich. Bis zum Morgengrauen blieb ich wach und wartete auf Sarah, und machte mir Vorwürfe, dass ich sie hatte gehen lassen. Gleichzeitig war ich aber sehr stolz auf sie!

Oriana Fallaci

Frau Meir, die Schuldgefühle, die Sie gegenüber ihren Kindern haben, haben Sie die auch gegenüber ihren Mann?

Golda Meir

Sprechen wir nicht über das ….. Ich will dazu nichts sagen. Darüber werde ich nie sprechen. Na, gut. Versuchen wir es. Sehen Sie, mein Mann war ein ausserordentlich aufrichtiger Mensch: gebildet, höflich, gut. Alles in ihm war gut. Aber er war auch ein Mensch, den nur die Familie interessierte, das Haus, die Musik, die Bücher. Er kannte die sozialen Probleme, das ist wahr, aber angesichts der Wohnung und der Familieneinheit verlor er alles Interesse an ihnen. Ich war zu verschieden von ihm und bin das immer gewesen. Mir reichte das häusliche Glück nicht, ich brauchte immer das, was ich gemacht habe. Darauf zu verzichten wäre für mich ein Akt der Feigheit gewesen, eine Unaufrichtigkeit mir selbst gegenüber. Mich hätte das unbefriedigt gelassen, ich wäre traurig gewesen …. Ich habe meinen Mann kennengelernt als ich gerade einmal fünfzehn Jahre alt war. Ich habe ihn bald darauf geheiratet und er hat mir viele schöne Dinge nahegebracht: Musik, Dichtung….. Aber ich bin nicht dazu geboren, mich mit Musik, Dichtung und so weiter zufriedenzugeben …. Er wollte, dass ich zuhause bleibe und die Politik aufgäbe. Ich war hingegen immer ausser Haus, immer inmitten der Politik. Gewiss habe ich Schuldgefühle ihm gegenüber…. Ich habe auch ihn viel leiden lassen….  Wir gingen nach Israel, weil ich nach Israel wollte. Wir gingen in einen Kibbuz weil ich in einem Kibbuz leben wollte. Wir führten ein Leben, für das er nicht gemacht war, ein Leben , von dem ich aber nicht lassen konnte. Es war eine Tragödie, eine immense Tragödie. Denn, ich wiederhole es, er war ein wunderbarer Mensch und mit einer anderen Frau hätte er vielleicht sehr glücklich sein können.

Oriana Fallaci

Machten Sie niemals eine Anstrengung sich ihm anzupassen, ihm zu Liebe?

Golda Meir

Für ihn habe ich das grösste Opfer meines Lebens gebracht: ich verliess den Kibbuz. Sehen Sie, es gibt nichts, was ich so sehr geliebt habe als den Kibbuz. Im Kibbuz gefiel mir alles: die körperliche Arbeit, die Kameradschaft, die Unbequemlichkeiten. Unser Kibbuz war in der Jesreelebene und am Anfang gab es dort nichts als Sümpfe und Sand. Aber bald wurde daraus ein Garten voller Orangen- und Obstbäume, und nur ihn anzuschauen war für mich eine solche Freude, dass ich dort mein ganzes Leben hätte verbringen können. Er hingegen konnte das nicht ertragen, weder seelisch, noch körperlich. Er liebste es nicht am Gemeinschaftstisch mit den anderen zu essen, und er hielt auch die schwere körperliche Arbeit nicht durch. Er hielt das Klima nicht aus und auch nicht das Gemeinschaftsleben. Er war ein zu grosser Individualist, zu sehr introvertiert, zu empfindlich. Er erkrankte … und wir mussten gehen, zurück in die Stadt, nach Tel Aviv. Es schmerzt mich noch heute wie ein Nadelstich. Für mich war es ein wirkliches Drama, aber ich hielt durch, indem ich dachte, dass in der Stadt das Familienleben ruhiger sein würde und wir mehr zusammenhalten würden. Dann im Jahr 1938 trennten wir uns. Er starb 1951.

Oriana Fallaci

War er nicht stolz auf Sie, zumindest in den letzten Jahren?

Golda Meir

Ich weiss nicht, Ich glaube nicht. Ich weiss nicht was er in den letzten Jahren dachte und im Übrigen lebte er so zurückgezogen, dass es wahrscheinlich niemand erraten hätte. Seine Tragödie kam nicht davon, der er mich nicht verstand: er verstand mich sehr gut. Sie kam davon, dass er mich verstand, zugleich aber merkte, dass er mich nicht ändern konnte. Er sah, dass es für mich keine andere Wahl gab und dass ich so war, wie ich bin. Aber er wollte das nicht zugeben. Und wer weiss, ob er nicht Recht hatte.

Oriana Fallaci

Haben Sie niemals daran gedacht sich scheiden zu lassen, Frau Meir, und haben Sie nie dran gedacht sich wieder zu verheiraten als er gestorben war?

Golda Meir

Oh, nein, Niemals. Diese Idee ist mir nie gekommen, nie! Ich bin fortgefahren mich als mit ihm verheiratet zu sehen. Nach unserer Trennung haben wir fortgefahren uns zu sehen. Manchmal kam er zu mir ins Büro ….. Vielleicht haben Sie eine wichtige Sache nicht verstanden: ungeachtet der Tatsache, dass wir so verschieden waren und unfähig zusammenzuleben, bestand zwischen uns immer Liebe. Die unsere war eine grosse Liebe: und sie dauerte vom Tage, an dem wir uns kennengelernt haben, bis zum Tag an dem er starb. Eine solche Liebe kann man nicht ersetzen.

Oriana Fallaci

Frau Meir, ist es war, dass Sie sehr schamhaft sind? Sagen wir – sehr puritanisch, moralbesessen?

Golda Meir

Sehen Sie, wie ich vorher sagte, habe ich immer inmitten von Männern gelebt. Und niemals hat ein Mann sich erlaubt in meiner Anwesenheit schmutzige Geschichten zu erzählen, sich an mich mit ungebührlichen Reden oder Einladungen zu wenden. Wissen Sie weshalb? Weil ich immer gesagt habe, dass, wenn mir jemand ein Glas Wasser anbietet, das Wasser sauber sein muss. Wenn nicht, dann trinke ich es nicht. So bin ich: mir gefallen nur saubere Sachen. Ein guter Freund hat sich einmal an mich gewandt und sagte: „Golda, Du musst nicht so steif sein. Es gibt keine moralischen und unmoralischen Dinge. Es gibt nur schöne Dinge und hässliche“. Ich nehme an, dass er Recht hat. Ich nehme sogar an, dass eine Sache schön und hässlich zugleich sein kann. Für die einen ist sie schön, für andere hingegen hässlich. Ich weiss nicht wie ich es ausdrucken soll….. Vielleicht so: Liebe ist immer schön, aber der Liebesakt mit einer Prostituierten ist hässlich.

Oriana Fallaci

Man sagt, Sie sind immer sehr hart, wenig flexibel.

Golda Meir

Ich, hart?! Nein, es gibt in der Politik einige Punkte, in denen man mich hart nennen kann. Ich bin in der Tat nicht bereit Vergleiche einzugehen und ich bestätige das ganz fest. Ich glaube an Israel, ich diskutiere nicht über Israel, Punkt. Schluss. Ja, in diesem Sinne trifft das Wort inflexibel auf mich zu. Aber im Übrigen, was mein Privatleben, was die Leute, die menschlichen Probleme betrifft … mich inflexibel zu nennen, finde ich dümmlich. Ich bin das sensibelste Wesen, das Sie sich vorstellen können. Nicht von ungefähr beschuldigen mich viele Politik nach Gefühl zu machen anstatt mit Überlegung. Na, und wenn es so wäre? Ich sehe darin nichts Schlechtes, im Gegenteil. Ich habe immer die Leute bedauert, die vor Gefühlen, vor Emotionen Angst haben, und alles verstecken was sie empfinden und die nicht aus ganzem Herzen weinen können. Denn wer nicht in der Lage ist zu weinen, ist auch nicht in der Lage aus vollem Halse zu lachen.

Oriana Fallaci

Geschieht es wirklich, dass Sie weinen müssen?

Golda Meir

Und ob es geschieht! Und wie! Und dennoch, wenn man mich fragt: „Golda, sag mir, hast Du in Deinem Leben mehr lachen oder weinen müssen?“ antworte ich: „Ich denke, dass ich mehr gelacht als geweint habe“. Abgesehen von meinem Familiendrama habe ich ein so glückliches Leben gehabt. Ich habe so viele erfreuliche Menschen kennengelernt, ich habe die Freundschaft von so vielen interessanten Menschen genossen: vor allem in den fünfzig Jahren, die ich in Israel zugebracht habe.  Ich habe mich immer in einem Kreis von grossen Geistern befunden, ich bin immer anerkannt und geliebt worden. Und was anderes kann vom Schicksal erwarten? Es wäre wirklich undankbar von mir wenn ich nicht lachen könnte.

Oriana Fallaci

Nicht schlecht für eine Frau, die als das Symbol von Israel gilt.

Golda Meir

Ich ein Symbol!?! Was denn für ein Symbol. Wollen Sie sich vielleicht über mich lustig machen? Sie haben die grossen Männer nicht kennengelernt , die tatsächlich Symbole Israels gewesen sind: die Männer, die Israel gegründet haben und die mich beeinflusst haben. Von denen ist ausser Ben Gurion keiner mehr übrig. Ich schwöre Ihnen bei meinen Kindern und Enkeln, ich habe mich nie in der Kategorie der Ben Gurion gesehen. Ich bin doch nicht verrückt! Ich habe nur das getan, was ich tun musste, und das ist alles. Unser Land wäre ohne mich nicht anders.

Oriana Fallaci

Also warum sagt man, dass nur Sie in der Lage sind, es zusammenzuhalten?

Golda Meir

Das sind Geschichten! Jetzt erzähle ich Ihnen etwas, das Sie überzeugen wird. Als Eshkol 1969 starb, machte man eine Umfrage um die Popularität seiner möglichen Nachfolger festzustellen. Und wissen Sie, wie viele sich für mich ausgesprochen haben? Ein Prozent. Vielleicht, eineinhalb Prozent. Also gut, es gab da eine Krise in meiner Partei und auch als Aussenministerin hatte ich das zu spüren bekommen: aber ein oder eineinhalb Prozent! Und eine Frau, die bis vor drei Jahren so unpopulär war, sei heute diejenige, die das Land zusammenhält? Glauben Sie mir, das Land hält sich selbst zusammen: es braucht keinen Premierminister, der Golda Meir heisst. Wenn die Jungen sagen würden: „uns reicht es zu kämpfen“ – es reicht mit dem Krieg – ergeben wir uns, könnte keine Golda Meir etwas dagegen machen.  Wenn man im Kibbuz von Beth Shean gesagt hätte „es reicht uns unter dem Raketenhagel der Fedajin zu leben, es reicht uns in Unterständen zu schlafen, gehen wir fort“ , keine Golda Meir hatte etwas dagegen tun können. Im Übrigen, an die Regierung ist Golda Meir per Zufall gelangt. Eshkol war schon tot, man musste ihn ersetzen, die Partei dachte, dass ich ihn ersetzen könnte, denn ich war von allen Konkurrenten akzeptiert ….. so und nicht anders war es. Ich damals war schon nicht mehr an der Regierungspolitik beteiligt, ich war müde. Fragen Sie meine Enkel, meine Kinder.

Oriana Fallaci

Frau Meir, sagen Sie mir nicht, dass Sie Ihren Erfolg nicht kennen.

Golda Meir

Ja, den kenne ich! Ich habe keine Anwandlungen von Grössenwahn, aber ich habe auch keine Minderwertigkeitskomplexe. Wenn ich es ablehne als Symbol bezeichnet zu werden und diejenige zu sein, die das Land zusammenhält, sage ich damit nicht, dass ich mich als ein Versager betrachte. Ich war sicher nicht immer perfekt, aber ich meine auch nicht in meiner Karriere versagt zu haben: weder als Arbeitsministerin, noch als Aussenministerin, noch als Parteisekretärin, noch als Staatsoberhaupt. Ich muss zugeben, dass meiner Meinung nach Frauen sehr gut regieren können, sehr gute Staatschefs sein können. Oh Gott, vielleicht hätte ich genauso gut meinen Posten ausgefüllt wenn ich ein Mann wäre….. Ich weiss es nicht, ich kann es nicht beweisen, ich bin nie ein Mann gewesen … Ich denke jedoch, dass die Frauen, mehr noch als die Männer, eine Fähigkeit besitzen, die ihnen hilft, diesen Beruf auszuüben, nämlich diejenige, geradlinig auf den Kern der Dinge loszugehen, den Stier bei den Hörnern zu packen. Frauen sind praktischer als Männer, realistischer. Sie verlieren sich nicht in nebulösen Dingen wie die Männer, die immer um die Sache herum kreisen wie die Katze um den heissen Brei.

Oriana Fallaci

Und trotzdem reden Sie manchmal so als ob Sie sich selbst nicht gefielen. Gefallen Sie sich, Frau Meir?

Golda Meir

Welche Person guten Willens gefällt sich selbst? Ich kenne mich zu gut, um mir selbst zu gefallen. Ich weiss zu gut, dass ich nicht so bin, wie ich sein möchte. Ich sage Ihnen wer mir gefällt: meine Tochter, Sarah ist so gut, so intelligent, so intellektuell, so integer! Wenn sie in etwas glaubt, glaubt sie es ganz fest. Was sie denkt, sagt sie das ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und sie unterwirft sich nie den anderen, der Mehrheit. Das kann ich von mir wirklich nicht sagen. Wenn jemand die Arbeit macht, die ich mache, muss er immer Kompromisse eingehen; er kann sich nie erlauben, auf seinen Ideen hundertprozentig zu bestehen. Natürlich gibt es für Kompromisse eine Grenze und man kann nicht endlos weiter Kompromisse eingehen. Trotzdem mache ich sie zur Genüge. Und dass ist schlimm. Und ich kann es kaum abwarten, mich von der Politik zurückzuziehen, auch deswegen.

Oriana Fallaci

Sie wollen sich tatsächlich zurückziehen?

Golda Meir

Ich gebe Ihnen mein Wort. Hören Sie, im Mai des nächsten Jahres werde ich fünfundsiebzig. Ich bin alt. Ich bin verbraucht. Meine Gesundheit ist im Grunde gut, mein Herz funktioniert, aber ich kann nicht ewig fortfahren mir diesem Wahnsinn. Wenn Sie wüssten, wie oft ich mir sage: zum Teufel mit alledem, zum Teufel mit allen, meinen Teil habe ich geleistet, nun sollen es die anderen machen. Schluss, Schluss, Schluss! Es gibt Tage, an denen ich gern alles hinwerfen und gehen würde ohne vorher jemanden etwas davon zu sagen. Wenn ich bis heute geblieben bin, wenn ich für den Moment noch bleibe, dann ist es aus reinem Pflichtgefühl und nichts anderes. Ich kann ja schliesslich nicht alles einfach aus dem Fenster werfen! Ja, viele glauben nicht, dass ich gehen werde. Sie sollten es jedoch glauben. Ich sage ihnen auch das Datum: Oktober 1973. Im Oktober 1973 sind Wahlen. Wenn diese vorbei sind, dann good-bye.

Oriana Fallaci

Ich glaube Ihnen das nicht. Alle sagen, Sie werden ihre Meinung schon noch ändern, weil Sie es nicht aushalten ohne etwas zu tun.

Golda Meir

Sehen Sie, da gibt es noch eine andere Sache, die die Leute nicht kennen. Ich bin von Natur aus faul. Ich gehöre nicht zu den Personen, die jede Minute ausfüllen müssen, um nicht krank zu werden. Mir gefällt auch das Nichtstun, in einem Sessel zu sitzen, oder mich mit kleinen Dingen zu beschäftigen, die mir Spass machen. Das Haus Putzen, Glätten, Kochen. Ich bin eine ausgezeichnete Köchin, eine ausgezeichnete Hausfrau. Meine Mutter sagte: „Warum willst Du studieren? Du machst alle Sachen so gut wie eine richtige Hausfrau. Und dann  schlafe ich gern. Oh wie mir das gefällt! Und es macht mir Spass unter Menschen zu sein, mich mit ihnen über dies und das zu unterhalten: zum Teufel mit den ernsten Gesprächen, mit den politischen Reden! Mir macht es Spass ins Theater zu gehen. Ich würde auch gern ins Kino gehen, ohne von der Leibwache begleitet zu werden. Aber das ist unmöglich, denn wenn ich mir einen Film sehen will, dann schicken sie mir selbst noch die Reserve der israelischen Armee hinterher. Was für ein Leben ist das? Seit Jahren kann ich nicht mehr machen was ich will: weder schlafen, noch ein Schwätzchen halten, noch überhaupt etwas machen! Immer bin ich an dieses Blatt gebunden, auf dem steht, was ich machen muss, was ich sagen muss, und das für jede halbe Stunde. Dann ist da meine Familie. Ich will nicht, dass meine Enkelkinder sagen: „Die Grossmutter benimmt sich schlecht gegenüber ihren Kindern und vernachlässigt sie“. Ich bin schliesslich Grossmutter. Ich habe nicht mehr viele Jahre zu leben und die, die ich noch leben will, will ich mit meinen Enkeln verbringen. Ich habe Regale voll von Büchern, die ich noch nie gelesen habe. Nachts um zwei Uhr, wenn  ich mich hinlege und versuche zu lesen, nehme ich eins in die Hand aber nach zwei Minuten schlafe ich ein und das Buch rutscht auf den Boden. Dann möchte ich auch in den Kibbuz von Sarah gehen, wenn ich will: für eine Woche, einen Monat, nicht nur freitagabends, huschhusch, um Samstagabend huschhusch wieder abzureisen.  Ich möchte Herr meiner Zeit sein und nicht dass die Uhr mein Herr ist.

Oriana Fallaci

Das Alter flösst Ihnen also keine Angst ein.

Golda Meir

Nein, das hat mich nie erschreckt. Ich, wenn ich weiss, dass ich die Dinge ändern kann, werde ich aktiv wie ein Wirbelwind. Und fast immer gelingt es mir sie zu ändern.  Aber wenn ich weiss, dass ich nichts machen kann, füge ich mich darein. Ich werde nie vergessen als ich das erste Mal ein Flugzeug benutzt habe. Es war 1929 von Los Angeles nach Seattle. Aus Arbeitsgründen, nicht etwa zum Spass. Es war ein kleines Flugzeug, im Augenblick des Starts dachte ich: „Was für ein Wahnsinn! Warum mache ich das?“ Aber sofort danach habe ich mich beruhigt: was hätte es genutzt, wenn ich mich geängstigt hätte? Ein anderes Mal flog ich von New York nach Chicago, zusammen mit einem Freund, und es kam ein furchtbares Gewitter auf. Das Flugzeug wirbelte und tanzte und mein Freund fing an zu heulen wie ein Kind. Ich sagte zu ihm: „Hör auf, was heulst Du, zu was nützt es?“ Meine Liebe, das Alter ist wie ein Flugzeug in einem Gewitter. Wenn du einmal drin bist, kannst du nichts mehr machen. Ein Flugzeug kann man nicht anhalten und auch ein Gewitter nicht, und auch die Zeit kann man nicht anhalten. Folglich muss man alles mit Ruhe nehmen und mit Weisheit.

Oriana Fallaci

Und diese Weisheit bringt Sie dazu manchmal streng mit der Jugend umzugehen?

Golda Meir

Hören Sie: man muss schon verrückt sein um nicht zu merken, dass die jüngeren Generationen anders denken als man selbst und das ist auch richtig so. Es wäre scheusslich wenn jede Generation eine Kopie der vorangegangenen wäre: die Welt würde sich nicht weiterentwickeln. Ich bin mit Freunde mit der Tatsache einverstanden, dass die Jungen anders sind als ich. Das, was ich verurteile bei den Jungen, ist ihre Anmassung wenn sie sagen: „alles was ihr gemacht habt war falsch und folglich machen wir alles neu“.  Eh, wenn sie alles besser machen, wäre es mir recht, aber oft sieht man, dass es nicht besser ist, als was wir gemacht haben und manchmal ist es sogar schlechter. Der Kalender ist nun schliesslich nicht das Mass von Gut und Böse. Ich kenne reaktionäre und egoistische Junge und altruistische und progressiv denkende Alte. Und dann gibt es noch eine andere Sache, die ich an den Jungen kritisiere: die Manie alles zu nachzumachen, das von draussen kommt. Ihre Moden machen mich nervös. Denn diese Musik ist keine Musik und dient nur dazu Kopfschmerzen zu bereiten. Warum diese langen Haare und diese kurzen Kleider? Ich bin gegen die Mode und bin immer dagegen gewesen. Die Mode ist ein Zwang, ein Verlust an Freiheit. Jemand in Paris entscheidet, wer weiss warum, dass die Frauen Miniröcke tragen müssen und schon tragen alle  Miniröcke, gleich ob: lange Beine, kurze Beine, magere Beine, dicke Beine, hässliche Beine…. Geduld, solange sie jung sind, mag das gehen, aber wenn sie fünfzig sind, dann werde ich wirklich ärgerlich. Aber haben Sie schon alte Männer gesehen, die sich schulterlange, lockige Haare wachsen lassen?!“

Oriana Fallaci

Die Tatsache, Frau Meir, ist, dass ihre Generation eine heldenhafte war und die von heute ….

Golda Meir

Auch die heutige ist heldenhaft. Die Generation meiner Kinder. Wenn ich Männer von fünfundvierzig oder fünfzig Jahren sehe, die seit zwanzig, dreissig Jahren im Krieg sind …… Jedoch, wissen was ich sage? Auch die der jungen von heute ist eine heldenhafte Generation. Auf jeden Fall die hier in Israel. Wenn ich daran denke, dass sie schon mit achtzehn Jahren Soldaten werden und hier heute Soldat zu sein, heisst nicht nur üben und Schluss, dann bricht mir das Herz. Wenn ich die Schüler der Mittelschulen sehe, denke ich, dass eine Verrücktheit Sadats sie jederzeit von der Schulbank fortreissen kann, dann schnürt sich mir die Kehle zu. Manchmal bin ich ungeduldig mit ihnen und streite mit ihnen. Aber nach fünf Minuten sage ich mir: „Golda, in einem Monat könnten sie an der Front sein. Sei nicht ungeduldig mit ihnen. Lass sie anspruchsvoll und arrogant sein. Lass sie Miniröcke und lange Haare tragen“. Letzte Woche war in einem Kibbuz im Norden. Im Büro sagten sie ganz entsetzt: „Einen solche Reise machen Sie! Einer solche Anstrengung unterwerfen Sie sich! Sind Sie verrückt?“. Aber wissen Sie, warum ich dort hingegangen bin? Weil die Enkelin einer meiner alten Genossen geheiratet hat, denn im Sechstagekrieg sind ihnen zwei weitere Enkel gestorben.

Oriana Fallaci

Frau Meir, haben Sie niemals jemanden getötet?

Golda Meir

Nein … Ich habe natürlich Schiessen gelernt, aber ich war nie in einer Situation, in der ich jemanden töten musste. Ich sage das ohne Erleichterung. Es ist kein Unterschied zwischen jemanden zu töten und Entscheidungen zu treffen die andere zum Töten zwingen. Es ist genau die gleiche Sache. Vielleicht sogar eine schlimmere.

Oriana Fallaci

Frau Meir, wie sehen Sie den Tod?

Golda Meir

Ich sage es ihnen gleich: meine einzige Angst ist es, zu lange leben zu müssen. Wissen Sie, das Alter ist keine Sünde und ist auch kein Spass: es gibt im Alter einen Haufen unerfreuliche Dinge: man kann nicht mehr rasch die Treppen herauf-und heruntergehen, man kann keine Sprünge mehr machen. Aber trotzdem gewöhnt man sich leicht an gewisse Dinge, denn es handelt sich nur um körperliche Dinge und körperliche Gebrechen sind keine wirklichen Einbussen. Das was entwürdigend ist, sind geistige Einbussen, das Senilwerden. Die Senilität …. Ich habe Leute gekannt, die zu früh gestorben sind und das hat mir weh getan. Und ich habe auch Menschen gekannt, die zu spät gestorben sind, und die haben mir ebenso leid getan. Hören Sie, dem Verfall einer intelligenten Person zuzusehen, ist eine Schmach. Ich will nicht, dass mir das passiert. Ich will bei klarem Bewusstsein sterben. Ja, meine Besorgnis ist die, zu lange leben zu müssen.

 

Jerusalem, November 1972